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Das fuenfte Imperium

Titel: Das fuenfte Imperium Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Viktor Pelewin
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Hera. »Aber wie geht das vor sich mit dem Geldmelken? Der Mensch hat ja kein Euter.«
    Enlil Maratowitsch lächelte.
    »Wer sagt das?«
    »Sie wollen behaupten, er hätte eins? Ein Kuheuter?«, fragte Hera - etwas verlegen, wie mir schien.
    »Aber ja.«
    »Wo, wenn ich fragen darf?« Die Frage kam sehr leise.
    Meine Augen stahlen sich von ganz allein zu ihrer Brust. Was Enlil Maratowitsch nicht verborgen blieb.
    »Im Kopf natürlich«, sagte er, den Blick auf mich gerichtet, und tippte sich vielsagend an die Stirn.
    »Und wo da genau?«, schob ich schnell die Frage nach.
    »Das erklärte ich doch gerade. Der Geist B ist das geldgebende Organ. Die Gelddrüse, die der Mensch als einziges Tier ...«
    »Moment«, unterbrach ich ihn. »Wir hatten bisher nur gesagt, Geist B sei für den Unterschied zwischen den beiden Mercedessen verantwortlich. Wieso auf einmal Geld?«
    »Klar herausdestilliert, ist dieser Unterschied nichts anderes als Geld. Und das kulturelle Milieu, das sich aus solchen Unterschieden zusammensetzt, ist der Steinbruch zu seiner
    Gewinnung. Er ist nicht irgendwo, er ist im Kopf. Darum sage ich ja: Der Mensch holt das Geld aus sich selbst hervor.«
    »Aber wie kann jemand in einem Steinbruch arbeiten, der in seinem Kopf ist?«
    »Ganz einfach. In Geist B vollzieht sich unentwegt abstraktes Denken, das zu einem Geldkonzentrat verkäst wird. Ein analoger Vorgang zur Gärung in der Weinbütte.«
    »Und was hat es mit diesem Geldkonzentrat auf sich?«
    »Besagter Unterschied zwischen den beiden Fahrzeugen ist zum Beispiel so ein Konzentrat. Er verhält sich zum Geld wie Kokablätter zum Kokain. Geld, könnte man sagen, ist ein Produkt von Geist B in gereinigter und raffinierter Form.«
    »Und ist dieses Geldkonzentrat nicht zufällig mit dem Glamour identisch?«, fragte Hera.
    »Mit der Vermutung liegst du nicht falsch. Das Geldkonzentrat ist jedoch noch mehr. Praktisch jede Wahrnehmung, die in der modernen Stadt getätigt wird, geht darin ein. Darunter einige Sorten, die besonders viel Geldmasse pro Informationseinheit produzieren. Der Glamour ist hierbei konkurrenzlos. Deshalb umgibt der Mensch sich mit so viel Hochglanz und Reklame. Das ist wie der Klee für die Kuh.«
    »Ist Glamour denn überall?«
    »Natürlich. Er ist nur überall verschieden. In New York ist es ein Ferrari und ein Abendkleid von Donna Karan oder was weiß ich. In einem Dorf in Hinterasien ist es ein Handy mit großem Bildschirm und ein T-Shirt, wo Micky Mouse USA Famous Brand draufsteht. Aber die Substanz ist die gleiche.«
    Hera schaute auf meine Füße. Die Hosenbeine waren herabgerutscht und gaben den Blick auf meine Socken frei, deren, Gummizüge mit Union-Jack-Labels besetzt waren.
    »Und was spielt der Diskurs dabei für eine Rolle?«, fragte ich voller Sorge.
    »Jede Weide braucht ihren Zaun«, gab Enlil Maratowitsch zur Antwort. »Damit die Herde sich nicht zerstreut.«
    »Und wer ist außerhalb von dem Zaun?«
    »Na, wer schon. Wir.«
    Ich entsann mich, dasselbe, beinahe wortwörtlich, von Jehova gehört zu haben. Hera seufzte, Enlil Maratowitsch lachte.
    »Was ist, hast du mehr vom Leben erwartet?«, fragte er. »Vergiss es.«
    »Was ist mit den Leuten, die sich weigern, das Konzentrat zu fressen und Geld zu produzieren?«, fragte Hera.
    »Ich bin ein gütiger Hirte«, erwiderte Enlil Maratowitsch, »und gifte nicht. Aber überleg doch mal selbst: Wie soll eine Kuh sich weigern, Milch zu geben? Sie müsste aufhören zu fressen.«
    »Bestimmt ließe sich doch statt Geld irgendwas anderes produzieren? So mehr auf sowjetische Art?«
    »Gute Frage ...« Enlil Maratowitsch legte die Stirn in Falten. »Auf einen kurzen Nenner gebracht, ist das so: Es gibt Viehzucht zur Fleischgewinnung, und es gibt Viehzucht zur Milchgewinnung. Wo die Milchviehzucht aufhört, fängt die Fleischviehzucht an. Wo die Fleischviehzucht aufhört, fängt die Milchviehzucht an. In Übergangszeiten gibt es eine Kombination aus beidem. Ein Drittes ist noch nicht erfunden.«
    »Fleischviehzucht, was heißt das nun wieder?«
    »Es heißt, was es heißt. Man kann Milch trinken, und man kann Fleisch essen. Es gibt Ressourcen, die der Mensch bei lebendigem Leibe produziert, und solche, die er im Tode hervorbringt... Zum Glück sind diese schrecklichen Technologien seit Langem geächtet und gehören der Vergangenheit an, wir müssen sie nicht weiter diskutieren.«
    » Kriege ?«, fragte Hera.
    »Nicht nur«, sagte Enlil Maratowitsch. »Aber Kriege gehören dazu,

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