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Das fuenfte Imperium

Titel: Das fuenfte Imperium Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Viktor Pelewin
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hoben ihn an und schleiften ihn zur Tür. Als ich sah, dass er mit den Beinen zappelte, beruhigte sich mein Gewissen.
    Die Chaldäer wurden munter, sie verteilten sich im Saal, versorgten sich mit Getränken und unterhielten sich angeregt. Um mich machte man einen Bogen. Allein stand ich da mit der schweren Maske in der Hand und wusste nicht weiter. Enlil Maratowitsch schaute streng herüber, winkte mich zu sich. Ich war mir sicher, dass eine Abreibung bevorstand. Doch weit gefehlt.
    »Sehr gut!«, lobte er mich leise, mit düster gefurchter Stirn. »Genau so muss man mit diesem Drecksack umspringen. Du hast dich ordentlich geschlagen! Der Schreck ist denen allen ins Mark gefahren. Dazu muss man junge Muskeln haben, ich könnte das nicht mehr.«
    »Wieso Muskeln?«, protestierte ich gekränkt, »Ich meine, das war vor allem eine Sache des Intellekts!«
    Enlil Maratowitsch überhörte meinen Einspruch geflissentlich.
    »Aber das war noch nicht alles«, sagte er. »Jetzt musst du ihnen noch ein bisschen ums Maul gehen. Small Talk treiben.«
    Bei diesen Worten drohte er mir mit dem Zeigefinger. Von ferne musste unser Gespräch so aussehen, als stauchte ein strenger Papa sein ungezogenes Söhnchen zusammen. Wie wenig die Mimik den Worten entsprach, war kurios.
    »Die Ballkönigin spielen, ja?«, fragte ich.
    »Ausziehen musst du dich nicht«, antwortete Enlil Maratowitsch. »Und auch keinen Pudel hinter dir herzerren. Es reicht, wenn du den wichtigsten Herrschaften die Hand schüttelst, damit sie dich persönlich kennenlernen. Komm, ich stelle dich vor. Und immer schön lächeln - sie sollen glauben, du wärest ein kaltes, scheinheiliges Aas.«

SOLDATEN DES IMPERIUMS
    Enlil Maratowitsch schob mich in Richtung dreier Chaldäer, die eifrig diskutierend in der Nähe standen, und folgte mir auf dem Fuß. Beim Näherkommen verstummte das Gespräch, die Männer starrten uns entgegen. Enlil Maratowitsch streckte begütigend die flachen Hände aus. Plötzlich verstand ich den tieferen Sinn dieser uralten Geste: dem anderen zu zeigen, dass man weder Stein noch Messer mit sich trug.
    »Keine Bange«, rief er fröhlich, »heute beißen wir nicht mehr. Ich hab dem jungen Mann schon die Ohren lang gezogen für seine derben Späße.«
    »Nicht doch«, erwiderte der zuäußerst Stehende, ein kleiner gebeugter Mann, dessen graue Chlamys mit winzigen Blüten übersät war. »Wir haben zu danken für das mitreißende Schauspiel.«
    »Professor Kaldawaschkin«, stellte Enlil Maratowitsch ihn vor. »Diskursobmann. Zweifellos das verantwortungsvollste Amt in der Chaldäischen Gesellschaft. Und das hier«, sprach er, zu Kaldawaschkin gewandt, »ist, wie Sie bereits wissen, Rama der Zweite. Seien Sie gnädig mit ihm.«
    »Das tun wir gewiss«, sagte Kaldawaschkin und blinzelte mich aus wässrig blauen Greisenaugen an, »das ist so unsere Art. Ich höre, du bist ein Diskursspezialist?«
    Auch er, ganz Profi, ließ das Wort Diskurs ein wenig englisch tönen, ich passte mich an.
    »Spezialist nun nicht gerade«, erwiderte ich, »aber im
    Diskursunterricht war ich entschieden besser als in Glamour. «
    »Erfreulich zu hören, dass so etwas immer noch vorkommt im Fünften Imperium. Die Tendenz geht in die andere Richtung.«
    »Was meinen Sie mit Fünftem Imperium, wenn ich fragen darf?«
    »Kam das bei Jehova nicht vor?«, wunderte sich Kaldawaschkin.
    Ich zuckte die Schultern - konnte ja sein, dass ich es nur vergessen hatte.
    »Das ist die weltumspannende anonyme Diktatur, die wir die Fünfte nennen, um sie vom Dritten Reich des Nationalsozialismus und vom Vierten Rom der Globalisierung zu unterscheiden. Anonym freilich nur nach außen hin, wie du dir denken kannst. In Wirklichkeit handelt es sich um die humane Vampire-Rule-Epoche, das Weltimperium der Vampire oder auch in kryptischer Symbolik: Empire V. Und das willst du im Unterricht nicht gehabt haben?«
    »Irgendwas war damit«, sagte ich unsicher. »Doch, doch ... Baldur sprach davon, dass der Glamour die Kultur der anonymen Diktatur sei.«
    »Nicht die Kultur, sondern die Ideologie«, korrigierte mich Kaldawaschkin mit erhobenem Zeigefinger. »Die Kultur der anonymen Diktatur ist der fortgeschrittene Postmodernismus.«
    Davon war nun wirklich nie die Rede gewesen.
    »Was ist das?«
    »Der fortgeschrittene Postmodernismus ist diejenige Phase in der Entwicklung der Postmoderne, in der sie sich von den Fundamenten vorausgegangener Kulturepochen gelöst hat und vollkommen autonom

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