Das fuenfte Imperium
zweitens ... Haben Sie wirklich keine Ahnung, woher das kommt?«
»Ich schwöre es bei meiner roten Flüssigkeit - nein!«, rief Schtschepkin-Kupernik. Anscheinend war er sehr erleichtert, dass sein Fauxpas so glimpflich abgegangen war.
»Überlegen Sie doch mal. Was tun Vampire?«
»Sie lenken den Gang der Geschichte?«, schmeichelte Schtschepkin-Kupernik.
»Nicht nur das. Die Vampire schauen den Menschen in die dunklen Seelen. Anfangs, solange der Vampir in die Lehre geht» bewahrt er sich noch jenes von der Großen Maus ererbte Maß an göttlicher Unschuld, das ihn an die Menschen glauben lässt, ungeachtet dessen, was er tagtäglich über sie erfährt. Während dieser Zeit kleidet der Vampir sich gern einmal frivol. Doch von irgendeinem Moment an wird ihm klar, dass es kein Licht in der Finsternis geben kann. Und so geht der Vampir zum Zeichen seiner ewigen Trauer um den Menschen in Schwarz, wird selbst so schwarz wie all die Herzen, die tagein, tagaus vor seinem geistigen Auge vorüberziehen ...«
»Bravo!«, blaffte Marduk Semjonowitsch von der Seite dazwischen. »Enlil, ich finde, das sollten wir in den Diskurs aufnehmen!«
Schtschepkin-Kupernik tat etwas wie einen Knicks - wohl der Versuch, seine vielen widersprüchlichen Gefühle auf einen Nenner zu bringen - und blieb mitsamt seiner Suite hinter uns zurück.
Die nächste Gruppe, der Enlil Maratowitsch mich zuführte, bestand lediglich aus zwei Chaldäern, die einander ähnlich sahen. Beide alt und unansehnlich, feist, bärtig - bei dem einen stach ein rötlicher Zottelbart unter der Maske hervor, beim anderen ein silbergrauer. Letzterer schien gerade eingenickt zu sein.
»Hier haben wir es mit einer hochinteressanten Profession zu tun«, sprach Enlil, auf den Rotbärtigen hindeutend. »Vielleicht die allerwichtigste heutzutage. Ganz wie im italienischen Schauspiel. Herr Samarzew ist unser Generalprovokateur. «
»Nanu?«, fragte ich verwundert. »Was hat man als solcher zu tun?«
»Es ist schon eine äußerst höhnische Umschreibung dessen, was ich tue«, polterte Samarzew. »Aber ihr Vampire macht euch ja gern über wehrlose Menschen lustig. Wie du uns erst vorhin wieder in unverfrorenster Art vor Augen geführt hast...«
Ich war verdutzt. Samarzew ließ das Gesagte ein paar
Sekunden wirken, dann piekte er mir mit dem Finger in den Bauch und sagte: »Dies war eine kleine Demonstration meiner Tätigkeit. Ich provoziere. Funktioniert doch, oder?«
Alle Umstehenden prusteten fröhlich los. Ich lachte mit. Samarzew war charmant, wie es sich für einen Provokateur geziemt.
»In Wirklichkeit bin ich Zukunftsmanager«, sagte er. »Designer des morgigen Tages, wenn man so will. Und mein Amt heißt deshalb so merkwürdig, weil die Provokation heute keine bloße Buchführungsmethode mehr ist, sondern ein maßgebliches Organisationsprinzip.«
»Höre ich richtig: die Provokation eine Buchführungsmethode?«
»Natürlich. Wenn fünf Sozialrevolutionäre um den Samowar sitzen und Feindliche Stürme durchtoben die Lüfte singen, dann ist einer von ihnen ein eingeschleuster Provokateur und schreibt ausführliche Berichte über die anderen.«
»Na gut. Verstehe. Und wie wird die Provokation zum Organisationsprinzip ?«
»Indem der Provokateur die Feindlichen Stürme selber anstimmt«, erwiderte Samarzew. »Damit er auch wirklich alle, die mitsingen, von Anfang an erfassen kann. Im Idealfall wird der Text auch gleich von unserer Kreativabteilung verfasst, damit nichts dem Selbstlauf überlassen bleibt.«
»Alles klar«, sagte ich.
Samarzew versuchte mir schon wieder den Finger in den Bauch zu pieken, diesmal hielt ich rechtzeitig die Hand davor.
»Das betrifft natürlich nicht bloß revolutionäres Liedgut«, führte er aus, »sondern alle bahnbrechenden Tendenzen. Heute wird keiner mehr warten, bis die Keime des Neuen von allein durch den Asphalt sprießen, dafür sind die Leute, die diesen Asphalt befahren, viel zu wichtig. Sprießende Keime auf den Protokollstrecken machen sich nicht gut. Freiheitsliebende Triebe, die sich partout ihren Weg bahnen müssen, werden heutzutage in speziellen Schonungen angepflanzt. Der Manager dieses Prozesses wird auf natürliche Weise zum Provokateur, die Provokation ist Teil des Managements.«
»Und Ihr Kollege befasst sich womit?«
»Jugendliche Subkulturen«, sagte der Graubart und gähnte.
»Fett!«, konterte ich. »Wie wärs mit ’ner Battle? Haben Sie das drauf?«
»Mit Ihnen wird das nix«, antwortete der
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