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Das fuenfte Imperium

Titel: Das fuenfte Imperium Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Viktor Pelewin
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Stimmengewirr entgegenschlugen. Enlils Griff war zartfühlend und freundschaftlich, trotzdem kam ich mir vor wie ein in die Arena gepeitschter Gladiator.
    Der Saal hatte sich optisch verändert: Scheinwerfer strahlten, das Ganze ließ jetzt tatsächlich an eine Zirkusmanege denken. Die Tische mit dem Büfett waren an die Wand gerückt. In der Mitte des Saales drängten sich die Chaldäer, bildeten dort einen lebhaften Kreis. Es waren mehr geworden - manche offenbar aristokratisch genug, erst zum zweiten Akt zu erscheinen. Hie und da zwischen all der goldblitzenden Maskenhaftigkeit waren menschliche Gesichter zu entdecken - das konnten nur Vampire sein. Sie warfen mir aufmunternde Blicke zu.
    Ein paar Chaldäer trugen zur Maske nichts als ein flauschiges Röckchen aus Federn oder langmähniger Schafwolle. Die so Gewandeten hatten allesamt einen durchtrainierten Körper vorzuzeigen. Vermutlich war das Trend-Fashion für die fitnessgestählte chaldäische Klientel.
    Einer dieser halbnackten Herkulesse stand, Arme vor der Brust verschränkt, in der Mitte des Kreises. Sein metallisches Antlitz warf gnadenlos grelle Lichtreflexe. Der Oberkörper bestand aus haarigen Muskelbergen; ein solider Bierbauch störte die Harmonie, vermehrte den Schrecken. Hätten die
    Hunnen oder Vandalen Denkmäler hinterlassen, dann Figuren dieser Art, dachte ich. In dem schwarzen Gestrüpp auf seiner Brust hing ein Kettchen mit Amulett: irgendwelches totemhaftes Getier mit und ohne Flügel.
    Wäre ich geneigt gewesen, die Bedeutung des Moments bis hierhin noch zu unterschätzen - die Blicke der Vampire sprachen Bände. Da war auf der einen Seite unsere fragile Welt, behütet nur durch jahrhundertealte Vorurteile und das Todesbonbon. Auf der anderen die brutale Menschenherde ... Sicherheitshalber wiederholte ich mein Ertüchtigungsritual. Gemessen ein- und ausatmend, näherte ich mich dem halbnackten Chaldäer, grüßte ihn mit einem soldatisch knappen Nicken und sprach:
    »Guten Abend. Wie Sie wissen, haben wir beide nun einen Auftritt ... na, sozusagen im Tandem zu absolvieren. Dafür sollten wir uns zunächst miteinander bekannt machen. Ich heiße Rama. Von Ihnen kenne ich bisher nur den Nachnamen. Ihr werter Vor- und Vatersname ist wie?«
    Die Maske drehte sich zu mir herum.
    »Ich dachte, das könntest du selber herausfinden!«, sprach sie. »Oder etwa nicht?«
    »Aha. Das heißt, Sie hätten nichts dagegen, wenn ich ...«
    »Und ob ich was dagegen habe!«, unterbrach mich die Maske resolut.
    Im Saal wurde gelacht.
    »Nun, wenn es so ist, muss ich leider Gewalt anwenden. Selbstverständlich streng unter Einhaltung der geltenden Regeln.«
    »Das möchte ich sehen«, sagte Semnjukow, »wie das wohl aussehen soll.«
    Ich tat einen Schritt auf ihn zu. Er nahm eine lässige Boxerhaltung ein. Ein Hieb dieser Faust konnte mich augenblicklich ins Jenseits befördern. Ich beschloss es nicht darauf ankommen zu lassen und wahrte von vorne lieber Distanz.
    Ich wollte von hinten an ihn herangelangen.
    Das war strapazierend für Muskeln und Gelenke, gelang dafür jedoch so ansehnlich, wie Enlil Maratowitsch es gewünscht hatte. Die Sequenz von Bewegungen, mit denen ich in die beabsichtigte Position gelangte, nahm kaum mehr als eine Sekunde in Anspruch. Für mich war es jedoch eine sehr lange Sekunde, so lang wie eine vollständige Kür in künstlerischer Gymnastik.
    Zuerst tat ich einen langsamen, unsicheren Schritt auf ihn zu. Er breitete höhnisch die Arme aus, als wollte er mich damit umfangen. Da hechtete ich nach vorn und war, ehe er sich versah, unter seinem Arm hinweggetaucht, stand hinter ihm und äffte, an seinem Rücken lehnend, die Pose nach, so dass sich ein lustiges Spiegelbild ergab. Er begann sich umzuwenden. Währenddessen drehte ich, Gefahr laufend, mir den Hals zu verrenken, mit einer träge erscheinenden, doch blitzschnellen Bewegung den Kopf und ließ die Kiefer zusammenklappen ... Diese Sekunde war filmreif, sogar zeitlupenwürdig - das möchte ich ohne falsche Bescheidenheit behaupten.
    Als Semnjukow sich ganz zu mir herumgedreht hatte, war ich der Reichweite seiner Fäuste längst wieder entronnen -ohne mich noch einmal umzuschauen. Doch kaum hatte er einen Schritt in meine Richtung getan, gebot ich ihm, ohne hinzusehen, mit einer Geste Einhalt.
    »Stopp!«, sagte ich, »Stopp. Alles schon geritzt, Iwan Grigorjewitsch ... Jetzt haben wir die Rollen zu tauschen. Ich werde Sie zur Weißglut treiben, und Sie haben dem zu

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