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Das fuenfte Maedchen

Das fuenfte Maedchen

Titel: Das fuenfte Maedchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gillian Philip
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Weggegangen ist wegen dem Job und so. Vielleicht hat Alex ihn ja auch völlig heruntergezogen.«
    Bei Nathans Hetzerei hatte ich ganz vergessen, wie wir überhaupt auf das Thema Alex gekommen waren. Der Gedanke an Tom fühlte sich an wie ein Schlag in die Magengrube. Ich stand halb auf und schaute voller Panik zur Küche hinüber. Ich hörte das Klappern von Töpfen, hörte das Klatschen von Jinns nackten Füßen auf dem Küchenboden und wie sie einen Song von Marvin Gaye mitsang.
    Â»Er war in Edinburgh«, sagte ich. »Tom.«
    Â»Ja. Stell dir vor, du ziehst aus Edinburgh weg und kommst hierher zurück! Wenn du nicht musst.«
    Â»Warum bist du zurückgekommen?«
    Er machte große Augen. »Dass du das fragst!« Er lachte, lachte noch einmal, als ob mein Mut ihn kitzeln würde.
    Er antwortete mir jedoch nicht. Er drehte den Stuhl zum Fernseher hin, stellte den Ton an und wechselte das Programm. In den Sechs-Uhr-Nachrichten sprach eine weinerliche Frau auf einer Pressekonferenz. Ihr Mann hatte den Arm um sie gelegt und der Polizist neben ihr hatte ein professionell grimmiges Gesicht aufgesetzt. Ich erkannte sie: die Eltern des dritten Mädchens. Das war Monate her. Gab es irgendeine Entwicklung? Eine Festnahme?
    Oh, nein, es ging um eine Rekonstruktion. Ein Mädchen, das von hinten aussah wie Mädchen Nr. 3 ging eine belaubte Straße entlang. Sie tat so, als ob die vielen Pressekameras nicht da wären, und schwang ihre weiße Pseudo-Pradatasche hin und her. Sie bog in eine Gasse ein – ein junges Paar kam aus dieser Gasse heraus, schaute sich nach ihr um und ging weiter in die entgegengesetzte Richtung. Mädchen Nr. 3 ging weiter, einem rekonstruierten Tod entgegen, und das war’s.
    (Ich nenne sie Mädchen Nr. 3, aber im Nachhinein ist man immer schlauer. Mädchen sterben die ganze Zeit. Ich habe sie nicht miteinander in Verbindung gebracht, warum sollte ich? Ich bin mir nicht sicher, ob sonst jemand es tat. Außer der offensichtlichen Person).
    Ich legte eine Hand über ein Ohr, versuchte nur halb, nicht zuzuhören, als der Reporter die Geschichte ihres elenden Tods rekapitulierte – als ob wir es nicht schon hundert Mal gehört hätten, als ob wir nicht bereits alles wüssten, außer dem wichtigsten Punkt. Ich fragte mich, ob sie wohl je ihren Mörder finden würden, ob die Geschichte ihres Endes sich ändern und mutieren würde, wie ein Mythos, wie bei Stille Post.
    Nathan schüttelte den Kopf, so als würde die Widerwärtigkeit der Welt ihn anekeln, so als hätte er das Ganze nicht gerade fasziniert beobachtet. Es ging jetzt um irgendetwas Politisches, also zappte er von einem Programm zum anderen, bis er Die Simpsons fand. Er fragte mich nicht, was ich sehen wollte. So als wäre es sein Fernseher! Das hätte mir eine Warnung sein sollen.
    Er seufzte, als sie Marge und Lisa wegen der Werbung unterbrachen, und sagte es wieder, fast zu sich selbst.
    Â»Ich mag deine Schwester wirklich.«
    Er ging also nie. Das heißt, er ging nur, um seine Sachen zu holen. Nicht dass es ein richtiger Umzug gewesen wäre, aber mehr und mehr von seinen Sachen tauchten im Wohnzimmer und im Bad auf, und plötzlich blieb er nicht mehr nur noch jede dritte Nacht oder jede zweite Nacht: Er war die ganze verdammte Zeit da. So kommt man zu einem Familienmitglied, ohne überhaupt zu wissen, dass es passiert.
    Er gab Jinn nichts für die Miete, was er mir gegenüber so begründete, dass er keinen extra Platz beanspruchte. Ich gab ihm nicht recht. Er nahm meinen Raum ein. Er nahm meinen Raum neben Jinn auf dem Sofa ein. Er verschärfte die Luft. Es war kein großes Haus, und es war genau richtig für uns beide gewesen, verfallen, aber gemütlich. Nathan Baird saugte den Spaß und den Sauerstoff aus unserem Zuhause und er nahm mehr als ein Nathan-Baird-großes Stück Raum ein. Ich hasste es, ihn morgens in der Küche anzutreffen, mit offenem Hemd, um seinen Brustkorb zu zeigen, oder einfach mit nacktem Oberkörper. Er interessierte sich nicht für mich, und er wusste, dass ich mich nicht für ihn interessierte: Er stellte sich zur Schau, um mich zu verspotten. Ich schlafe mit deiner Schwester, wollte er damit sagen. Werd fertig damit.
    Es war nicht so, dass ich nicht sehen konnte, warum sie auf ihn stand. Ich kapierte, dass er diesen Charme besaß, den Charme des aalglatten, unartigen Jungen.

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