Das fuenfte Maedchen
bevor ihre Blase explodierte.
Man könnte also annehmen, dass ich drei Monate später, als Alex Jerrold genau dasselbe erlebte, mehr Mitgefühl zeigen würde.
Ich weià nicht einmal, warum Alex zur nächsten Party eingeladen wurde, die in einem hübschen alten Haus in einer guten Wohngegend stattfand. Die Eltern des Mädchens, das die Party gab, waren für acht Tage verreist und hatten ihre Tochter vertrauensvoll allein gelassen. Ich vermute, Alex sollte eine Art Hofnarr spielen. Entweder das, oder die Hausherrin schwärmte für Tom und nahm an, sie würde Schleimpunkte bei ihm sammeln, weil sie Alex ebenfalls eingeladen hatte.
Wie ich bereits erwähnt habe, war Tom Jerrold ungefähr dreihundert Prozent cooler als Alex. Er war schon fürsorglich, aber natürlich waren seiner Fürsorglichkeit Grenzen gesetzt â sowohl um seiner selbst als auch um Alexâ willen. Er konnte ihn ja nicht die ganze Zeit über beobachten. So fand Alex, betrunken wie eine Haubitze, eine Nische in der Ecke bei der CD- Sammlung und den Verstärkern. Niemand kümmerte sich mehr um ihn, bis aus den Verstärkern (die riesig, teuer, hochempfindlich und laut waren) plötzlich laute Orchestermusik drang.
Es war Wagner. Die Walküre . Alle Köpfe schnellten herum, und die Blicke richteten sich erstaunt auf Alex Jerrold, der inmitten eines kleinen Haufens durchwühlter CDs stand und einen auf Christusfigur machte â die Augen geschlossen und die Arme weit ausgebreitet. Und er sang auf Kauderwelsch-Deutsch, einen Ausdruck besoffener Ekstase in seinem verkorksten Gesicht.
Wie konnte er hoffen, damit durchzukommen? Vielleicht tat er es nicht. Es sorgte mehr für erstaunte Heiterkeit als Wut, doch er musste so oder so dafür büÃen. Man packte ihn und schleppte ihn die Treppe hoch. Dann lieà man ihn an den FuÃgelenken über das obere Treppengeländer baumeln. Er ertrug es, stillschweigend und würdevoll wie ein Märtyrer auf einem Gemälde, sein Gesichtsausdruck drückte schmerzliche Verärgerung aus wie ein auf den Kopf gestellter heiliger Sebastian.
Es war jedoch auch nicht der beste Einfall, den die Täter je gehabt hatten. Einen besoffenen Partygast an den Knöcheln hochzuhalten, konnte nur zu einem Ergebnis führen. Es verteilte sich über den gesamten Treppenläufer der Mutter unserer Gastgeberin, und da alles von oben herunterplatschte, breitete es sich richtig schön aus.
Die Gastgeberin war nicht betrunken genug, um nicht hysterisch zu reagieren. Damals und später gab man vor allem Alex die Schuld â was ich ziemlich unfair fand, aber schlieÃlich hatte er es herausgefordert.
Jinn beseitigte schlieÃlich das Chaos. Sie wischte Alexâ Erbrochenes auf und säuberte Alex ebenfalls. Sie schalt die Täter aus, die vor Lachen brüllten, schleppte Alex zum nächsten Bad und vergewisserte sich, dass er seinen Magen entleert hatte. Sie rieb seinen Rücken und gab beruhigende Laute von sich, wie sie es bei mir gemacht hatte.
Ein Muttertier, das war Jinn. Wer weiÃ, wo sie das herhatte.
Tom kam nach einer Weile zu ihr, beobachtete schweigend seinen Bruder beim Brechen. Er reichte Jinn eine Flasche Wein, als sie die Chance hatte, einen Schluck zu trinken. Sie leisteten sich gegenseitig Gesellschaft, bis Alex sich zusammengerollt hatte und sofort einschlief. Am Mundwinkel waren noch kleine Reste von Erbrochenem. Ungefähr eine Stunde später entdeckte ich sie, wie sie gemütlich auf dem Sofa kuschelten.
Dieses Mal, dachte ich. Dieses Mal!
Doch wieder wurde nichts daraus. Als Jinn und Tom am Montag darauf wieder in der Schule waren, waren sie nach wie vor nur Freunde, und sie stand gelegentlich in der Gunst von Nathan Baird. Er spielte mit Jinn, wie er mit allen Mädchen spielte, er flirtete und verteilte Komplimente, prahlte und gab an und küsste sie manchmal, wenn er Lust dazu hatte.
Doch damals brauchte er sie nicht. Heute meine ich allerdings, dass er sie vielleicht doch brauchte und sie mehr mochte, als er zugeben wollte. Doch sein Ruf war ihm wichtiger. Jinn verzehrte sich weiterhin nach ihm und er ermutigte sie nach wie vor und aus Tom und Jinn wurde nichts.
Auf jeden Fall damals nicht.
Zahlenspiele
Ich erinnere mich an das zweite Mädchen, weil sie am Morgen nach dieser Party in den Nachrichten war. Am Tag danach, besser gesagt, denn dieser Morgen ging irgendwie an mir vorbei. Und das Seltsame
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