Das fuenfte Maedchen
genommen hatte, um dann wieder auf Saal 5 zu sprechen zu kommen und vielleicht noch das eine oder andere Gespräch zu führen. Stattdessen stand ich auf und ging mit zurück in die Aula, wo wir uns irgendwo am Rand hinsetzten. Ich wünschte, es wäre anders gelaufen. Aber Wünsche hatte ich immer viele.
Zehn
Der kräftige Typ am Ladentisch des Mini-Markts wirkte nervös. Er hatte noch seinen Motor laufen â ich konnte es durch die offene Tür hören â, und er hatte sich nicht mal die Zeit genommen, nach einem Korb zu greifen. Also balancierte er sein Sandwich und seinen Sixpack Bier und seinen Geldbeutel auf seinen kräftigen Armen, während er einen Blick auf seine Armbanduhr warf, von einem Fuà auf den anderen trat und zum hinteren Ladenraum spähte, als ob er damit jemanden herbeizaubern könnte.
»Das ist lächerlich«, sagte er in den Raum hinein oder zu mir. »Lächerlich«, und schickte noch ein missbilligendes Schnalzen hinterher.
Ich zuckte die Achseln, lächelte und brummelte, als ich an ihm vorbeiging. Ich machte mir keine Sorgen wegen des kräftigen Kerls und seines Benzinverbrauchs, doch wenn Bertha hereinkäme und entdeckte, dass Jinn sich verdrückt hatte, wäre sie nicht gerade begeistert. Es war nicht mehr so wie im letzten Sommer. Jinn hatte bei Bertha weitgehend verspielt, zum Teil einfach deswegen, weil sie in Nathan verliebt war.
Ich steckte den Kopf in Berthas winziges Büro, doch Jinn war weit und breit nicht zu sehen. Um fair zu sein: Vielleicht hatte sie schnell aufs Klo gemusst. Doch inzwischen konnte die Ladenkasse ausgeraubt sein, und es war ziemlich unverantwortlich von ihr, einfach abzuhauen, wenn niemand sie vertrat. Es sei denn, sie hatte selbst die Ladenkasse ausgeraubt. Inzwischen würde ich ihr alles zutrauen.
Oh, Ruby, sei nicht so gemein .
Ich blickte mich um, doch der kräftige Typ war verschwunden. Auch das Sandwich und das Sixpack und er hatte kein Geld auf die Theke gelegt. Ich konnte es ihm nicht unbedingt übel nehmen, doch ich war sauer auf Jinn.
Ich ging wieder nach hinten. Die schmuddelige Toilette befand sich am Ende des engen Gangs, um eine Ecke herum, wo die Mäntel hingen. Ich wollte kräftig gegen die Tür hämmern und Jinn Angst einjagen, doch sie war gar nicht auf der Toilette. Sie stand neben den Jacken, halb versteckt. Sie hielt eine Jacke auf dem Arm und wühlte in den Taschen.
»Jinn!«
Ich legte die Hand auf den Mund. Sie zuckte zusammen wie ein erschrecktes Kaninchen, hätte fast die Jacke fallen lassen. Ich sah, wie sie schnell etwas in ihre Tasche steckte.
»Was tust du denn da?«
»Nichts«, zischte sie.
Ich starrte auf die Jacke. Es war eindeutig die von George, ich erkannte sie. »Was tust du da?«, wiederholte ich.
»Nichts«, murmelte sie erneut.
Ich wusste nicht, was ich sagen sollte, und diesmal fiel auch ihr nichts ein. Ich dachte, sie würde mich mit einem Wortschwall volldröhnen, doch sie musste erkannt haben, dass sie dieses Mal zu weit gegangen war, denn sie sah geisterhaft bleich aus, und ihre Hände zitterten, als sie die Jacke wieder aufhängte.
»Wenn du Geld genommen hast â¦Â« Ich hatte Angst um sie.
Auf ihren Wangen bildeten sich zwei rote Flecke. »Natürlich habe ich das nicht«, blaffte sie. »Sein Geldbeutel ist nicht da. Er muss ihn mitgenommen haben. Sie sind wohl zum Lunch in den Pub gegangen.«
Ich wandte mich um, kehrte in den Laden zurück und wollte mich bei allen wartenden Kunden lautstark entschuldigen. Doch Jinn folgte mir. Sie zog ihren Stuhl hervor, hockte sich darauf und blickte lächelnd auf zu einer Mutter mit einem Kind auf dem Arm.
»Wie süà sie doch in diesem Alter sind«, bemerkte Jinn.
Mir blieb nichts anderes übrig, als mich zu trollen. Ich war viel zu wütend, um zu warten und ein Sandwich zu kaufen. Also musste ich mich mit einem Müsliriegel aus dem Zeitschriftenladen an der Ecke zufriedengeben. Ich beschloss, ihn mit hoch zu den Klippen zu nehmen, denn ich musste jetzt unbedingt nachdenken.
Nördlich von Breakness, hinter dem Hafen, dem Autohaus und dem Golfplatz, ging der lange glitzernde Strand plötzlich in Dünen und Felsen über und führte dann hinauf zu den Sandsteinklippen. Bei schönem Wetter war es ein herrlicher Spaziergang. Schon öfters hatte ich Delfine gesehen und mehr Robben, als man erschlagen konnte. Ich
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