Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das fuenfte Maedchen

Das fuenfte Maedchen

Titel: Das fuenfte Maedchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gillian Philip
Vom Netzwerk:
Meer zwischen den Häusern, blau und glitzernd. Ein weißes Segel trieb hinter den Schären in einer Maibrise dahin. Idyllisch. Ich hoffte, dass sie anfangen würde zu protestieren, wenn ich lange genug schwieg, dass sie brüllen würde: Und ob er mich liebt. Er liebt mich, er liebt mich! Und dann würde ich wissen, dass sie zu heftig protestierte, und ich würde wissen, dass alles nur eine vergängliche Lüge und eine Laune war und dass es nicht ewig währen würde.
    Aber das tat sie nicht. Sie protestierte nicht, und sowieso kannte sie mich und meine Schweigetaktik zu gut. Ich hatte verloren und wir wussten es beide.
    Â»Du kennst ihn nicht einmal.« Sie sagte es mit einer Spur Verachtung.
    Â»Doch, tue ich«, sagte ich. »Irgendwie.« Aber ich spürte, wie mir das Herz in der Kehle schlug und mir die Röte ins Gesicht stieg. Ich war verlegen. Ich war zu weit gegangen. Ich hatte verloren. Hör auf zu drängeln, Ruby.
    Â»Er braucht mich.«
    Â»Du kannst ihm nicht helfen. Er ist ein nutzloser Ab…«
    Â»Und zu deiner Information«, sagte sie mit lauter Stimme, »er liebt mich. Und selbst wenn er es nicht täte, ich liebe ihn. Deswegen geht es dich verdammt noch mal nichts an, Ruby.«
    Es gab für mich nichts mehr zu sagen oder zu tun, sodass ich nach Hause latschte wie ein begossener Pudel. Ich konnte es nicht ertragen, zurück in unser kleines leeres Haus zu gehen, also schaute ich beim Mini-Markt vorbei, und dieses Mal war die Dicke Bertha da. Zum ersten Mal überhaupt freute sie sich nicht sonderlich, mich zu sehen.
    Tatsächlich ist das eine Untertreibung. Sie versuchte, so zu tun, als habe sie mich nicht gesehen, und wenn ich nicht ihren Namen gerufen hätte (nur »Bertha« natürlich; ich bin ja nicht lebensmüde), wäre sie in ihr winziges Büro entwischt und hätte die Tür verschlossen, um mir aus dem Weg zu gehen.
    Â»Warum ist Jinn nicht bei der Arbeit?«, fragte ich.
    Bertha drehte ein Blatt Papier um, holte einen Stift hinter ihrem Ohr hervor und kritzelte irgendeine Zahl hin. Sie starrte hoch zu den Regalen mit Zigaretten und nickte, kritzelte wieder, las, was sie geschrieben hatte, und biss auf dem Ende ihres Stifts herum.
    Â»Ich wusste nicht, dass du sprechen kannst«, sagte sie.
    Da wusste ich, dass sie Jinn gefeuert hatte.

Zwölf
    Bertha sagte, sie habe Jinn entlassen müssen. Nicht weil sie sie nicht mochte oder weil sie es tun wollte. Es lag einfach daran, dass sie sich Jinn nicht mehr leisten konnte.
    Ich wartete eine Woche, zählte bis zehn und biss mir auf die Zunge, dann kehrte ich zum Dunedin-Haus zurück. Dieses Mal hatte ich nicht einmal die Chance, finster auf die leeren Fenster zu blicken. Jinn kam mit ihrer dünnen Wolljacke herausgestürmt und überquerte die Straße. Sie blickte mich nicht an, sondern ging einfach vor mir her, über den Marktplatz zum Spielplatz.
    Seit Tagen war die Stadt in Nebel gehüllt. Man hatte das Gefühl, keine klare Sicht zu haben, und selbst die Jets flogen nicht mehr. Doch noch stahl sich etwas Sonnenlicht durch den Nebel, und es gab Halbschatten – die Schatten der Schatten –, und auf der anderen Seite der Flussmündung konnte man immerhin noch die Dünen erkennen, die in blassem Perlgold schimmerten. Dieser Seenebel hat etwas Bedrückendes, etwas, das nach Geheimnis riecht, aber nicht nach einem erfreulichen: Der Nebel erinnerte an Stephen King oder Bram Stoker.
    Der Frosch-Abfalleimer mit dem offenen Maul am Eingang des Spielplatzes leuchtete lindgrün. Jinn blieb unvermittelt daneben stehen, sodass ich um ein Haar gestolpert wäre.
    Ich sagte: »Du hast deinen Job verloren.«
    Â»Erzähl mir etwas Neues.«
    Â»Du hast es mir nicht gesagt …«
    Â»Nein, hab ich nicht.«
    Â»Bertha ist ganz geknickt. Sie wollte nicht …«
    Â»Bertha ist eine Hexe. Sie will mir nicht mal ein Zeugnis ausstellen.«
    Â»Sie ist keine Hexe. – Was wollen wir jetzt tun, um Geld zu verdienen?«
    Â» Wir? Du arbeitest doch, oder?« Sie warf mir einen bösen Blick zu. »Und ich, ich bekomme Sozialhilfe. Was glaubst du, wann ich gefeuert wurde?«
    Ich öffnete den Mund, schloss ihn aber gleich wieder.
    Â»Rubes, sie hat mich vor drei Wochen rausgeschmissen. Die Miete wird von der Sozialhilfe gezahlt.«
    Â»Sie sagt, sie will dich zurück.«
    Â»Sie will mich genauso wenig zurück wie du. Sie

Weitere Kostenlose Bücher