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Das fuenfte Maedchen

Das fuenfte Maedchen

Titel: Das fuenfte Maedchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gillian Philip
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der Schere, mochte das leise Brummen der Rasierer und das hohe Surren der Föhne, die grünen und roten Folienstreifen, die die Köpfe schmückten, als sei es Weihnachten, und die Art, wie die Kunden sich im Spiegel betrachteten, halb eitel und halb erwartungsvoll. Ich wollte auf sie losgelassen werden, wollte diejenige sein, die dafür gesorgt hatte, dass sie beim Blick in den Spiegel vor Dankbarkeit ganz große Augen bekamen.
    Als ich Foley erzählte, was ich tat, meinte er, es sei das Lächerlichste, was er je gehört habe.
    Â»Frisieren?«, schrie er auf. »Da musst du reden, Ruby.«
    Â» Muss ich nicht.«
    Â»Und ob. Du musst sie fragen, ob sie am Wochenende ausgehen. Ob sie einen Urlaub geplant haben. Das gehört dazu. Es ist Teil dieses Jobs.«
    Â»Sei nicht albern.«
    Â»Du und frisieren! Ich meine, du .«
    Wir stritten uns deswegen. Ich stürmte davon, und er tat so, als sei ihm das egal. Es dauerte etwa zwölf Stunden, dann trafen sich unsere versöhnlichen SMS auf halbem Weg. Ich stritt mich mit Foley zurzeit ziemlich oft, was ich als Beweis dafür betrachtete, dass unsere Beziehung eher intensiver wurde, als dass sie ausplätscherte.
    Diese neue Phase bedeutete jedoch, dass ich Jinn nicht mehr so viel Aufmerksamkeit schenkte, was sie als Geschenk des Himmels betrachtet haben muss. Ich hatte damit aufgehört, ihr Kummer wegen Nathan Baird zu bereiten, weil er aus den Augen und aus dem Sinn war. Aber er hatte den Verstand verloren. Ich hätte auf der Hut sein müssen, hätte mir Sorgen machen müssen. Aber ich sah nur die Oberfläche und verspürte nur Erleichterung.
    Einige Monate lang blieb es dabei. Schlafende Hunde und so. Erst als sie anfing, über Nacht wegzubleiben, machte ich mir wieder Sorgen. Aber selbst dann dachte ich noch: Okay, wenn es so dunkel war, wenn es spät war, wenn es kalt war, würde sie nicht nach Hause gehen wollen. Sie würde wissen, dass ich mir weniger Sorgen machte, wenn sie über Nacht bei Nathan blieb, als wenn sie im Dunkeln und bei Schnee und Eisregen nach Hause ging.
    Der Winter schien ewig zu dauern. Das tun alle Winter, aber dieser besonders. Ich sah Jinn immer seltener. Im Februar fragte ich mich schließlich, wo sie wirklich war, wirklich lebte.
    Es war Anfang Mai, bevor ich schließlich zu Nathans neuem Zuhause ging, und es geschah eher durch Zufall. Ich wollte ihr eigentlich nicht folgen oder nachspionieren, aber ich wusste, wo es war, und traf die Entscheidung ganz spontan.
    Sie war einige Nächte nicht zu Hause gewesen und ich machte mir ein bisschen Sorgen. Ich dachte: Freitagnachmittag. Sie wird bei der Arbeit sein. Also flitzte ich in den Mini-Markt und da war sie nicht.
    Die Dicke Bertha war auch nicht da; nur Kim, die missmutig Dosen und Kartons über den Scanner schob, während sie Kaugummi kaute. Ich war überrascht, weil ich wusste, dass Jinn am Freitagnachmittag immer arbeitete. Die Dicke Bertha konnte ich nicht fragen und ich wollte nicht ausgerechnet mit Kim eine Unterhaltung anfangen. Ich konnte nur eines tun, nämlich bei Nathans Wohnung vorbeischauen.
    Sie lag nur wenige Straßen entfernt, und ich war bisher nur aus einem Grund noch nie dort gewesen: weil ich versuchte, die ganze Situation zu ignorieren. Ich blieb auf der gegenüberliegenden Straßenseite stehen und starrte auf das Haus.
    Ich weiß nicht, warum ich Kapuzinerkresse erwartet hatte. Es war nicht die Jahreszeit dafür. Es war ja auch nicht Jinns Zuhause, und wenn sie es wie ihr Zuhause behandelt hätte, hätte mich das noch mehr verletzt. Ich weiß also nicht, warum ich überrascht war.
    Der Name des Ortes war Dunedin, was viel schöner klingt, als es war. Es war eines dieser ziemlich klobigen, solide aussehenden Häuser, in denen früher die Kaufleute der Mittelschicht wohnten. Inzwischen waren viele dieser Häuser von den Vermietern in Wohnungen aufgeteilt worden. Von außen sah Nathan Bairds neues Zuhause viel vornehmer aus als unsere kleine graue Sozialwohnung aus den Fünfzigern. Doch es gab keine Kapuzinerkresse.
    Ich trat von einem Fuß auf den anderen, zögernd, die Kapuze über den Kopf gezogen und die Hände in den Hosentaschen. Wieso ich mir vorstellte, das würde mich unsichtbar machen, wenn Jinn zufällig aus dem Fenster schaute, weiß ich nicht. Es war nicht die Art von Haus, aus dem man hinausschaut. Die Fenster waren so schmutzig, als seien sie

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