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Das fuenfte Maedchen

Das fuenfte Maedchen

Titel: Das fuenfte Maedchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gillian Philip
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seit Jahrzehnten nicht mehr geputzt worden, und eines von ihnen hatte unten in einer der Ecken einen Sprung. Es gab keine richtigen Vorhänge, nur Streifen blass gemusterten Stoffs, bei dem es sich um diese Strandtücher hätte handeln können, die die Leute aus dem Urlaub im Ausland mit nach Hause bringen. Sie waren so zur Seite geschoben, dass man sie sicher nicht richtig aufgehängt, sondern nur über den Fenstern mit Heftzwecken festgemacht hatte. Oben auf dem Giebel balancierte eine Möwe und kreischte und kreischte, klagend und meckernd, aus vollem Hals. Ich schaute zu ihr hoch und wünschte mir, ich hätte Mallorys Brotkügelchen und ihre Treffsicherheit.
    Nathans Wohnung lag im Erdgeschoss mit Blick auf ein winziges Stückchen Garten zu beiden Seiten eines kurzen Asphaltpfads. Ich hätte gedacht, der Anblick hätte Jinn zur Gartenarbeit angetrieben: das wuchernde Gras, der Löwenzahn, Unkraut und ein einzelner Rhododendronstrauch. Es musste ihr egal sein. In einer Ecke lag ein Reifen, aber Jinn hatte ihn bestimmt nicht dorthin gelegt. Er war noch mit einer rostigen Radfelge verbunden, die fast vom Gestrüpp verschluckt wurde. Er lag bestimmt seit einer Ewigkeit dort. Es war kein potenzieller Reifengarten, es war Abfall.
    Ich fand diesen Garten mehr als deprimierend. Aus einem bestimmten Grund verursachte er mir leichte Übelkeit. Es war dieses unbehagliche, Übelkeit erregende Gefühl, das sich einstellt, wenn man sich einer Gefahr gegenübersieht, die man nicht identifizieren und der man nicht ausweichen kann.
    Ich wusste, dass sie dort zu dritt lebten, Nathan eingeschlossen. Nicht dass ich gewusst hätte, wer »sie« waren. Ich hatte sie mit Nathan zusammen gesehen, wenn sie aus dem Pub kamen oder beim Zeitungsladen gegen die Wand gelehnt herumstanden: magere Wracks mit müden Gesichtern. Keiner von ihnen hatte Nathans anrüchiges Charisma, auf jeden Fall nicht aus der Ferne. Eine der beiden Gestalten war männlich, die andere, glaube ich, weiblich, aber es war schwer zu sagen. Die mit großer Sicherheit männliche Gestalt kam aus dem Haus, als ich dort stand, sah nervös zu mir herüber und trippelte dann davon. Selbst von der anderen Straßenseite her konnte ich die abgestandene Luft riechen, als die Tür sich öffnete, ein brandiger Gestank. Verbrannte Zuckerwatte.
    Fünf Minuten später kam Jinn raus. Ich hatte gewusst, dass sie dort drinnen war, aber es erschütterte mich trotzdem, weil sie da einfach nicht reinpasste. Deswegen drehte ich mich nicht schnell um und ging weg. Ich stand einfach da und starrte ihr nach, als sie mit verschränkten Armen und zusammengepressten Lippen die Straße überquerte. Ich hatte Angst, aber nicht weil sie mich zusammenstauchen würde. Ich hatte Angst, weil das Haus angefangen hatte, sie auszusaugen. Ihr Haar hatte seinen Glanz verloren, und obwohl das Sonnenlicht auf uns beide fiel, schien sie sich unter einem Schatten zu befinden. Sie strahlte kein Licht mehr aus. Ich konnte es sehen, und ich hatte Angst, es ihr zu sagen. Ich hatte Angst, dass sie mich nicht hören würde, selbst wenn ich es ihr sagte, so als sei sie bereits in einem unsichtbaren Schleier gefangen, als habe das Haus eine Glasglocke über sie fallen lassen. Als sie direkt vor mir stehen blieb und zwei Kampfjets über uns hinwegdonnerten, bestätigte der erstickende Lärm es nur: Wir konnten einander nicht mehr hören.
    Die Jets verschwanden dröhnend am Horizont, und sie seufzte ungeduldig, bis die Stille zurückkehrte, schwerer als zuvor.
    Â»Spionierst du mir nach?«, fuhr sie mich an.
    Ich zuckte die Achseln. Ich wollte eigentlich »Nein« sagen, aber das hätte wirklich sehr dumm geklungen.
    Â»Lass uns in Ruhe, Ruby. Du hast ihn aus dem Haus getrieben, reicht das nicht?«
    Â»Hab ich nicht!«
    Â»Wie dem auch sei. Komm nicht mehr hierher.«
    Â»Ich musste dir etwas sagen«, platzte ich heraus.
    Â»Was?«
    Mist. Ich hatte gelogen und jetzt fiel mir nichts ein. Es war schon schwierig genug, die Wahrheit zu sagen. Für Lügen musste man zu schnell reagieren.
    Â»Er liebt dich nicht«, sagte ich.
    Â» Was hast du gesagt?«
    Heute wünsche ich mir, ich hätte nicht wieder angefangen. »Er liebt …«
    Â»Ja, ich hab dich gehört! Wie kannst du es nur wagen, Ruby. Wie kannst du es nur wagen!«
    Ich schaute auf den Boden, dann über ihre Schulter und sah das

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