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Das fuenfte Maedchen

Das fuenfte Maedchen

Titel: Das fuenfte Maedchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gillian Philip
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hockte er sich wieder hin und starrte irgendetwas an.
    Ich zögerte. Eigentlich wollte ich nichts mit ihm zu tun haben. Doch etwas an seiner Haltung gefiel mir nicht, und ich hatte das Gefühl, ich hätte die Pflicht, hinzugehen und ihn zu fragen, was los sei. Schließlich war ich einmal fast seine Freundin gewesen, selbst wenn es in der Zeit vor der Pubertät und eine Art mutierte Urlaubsromanze gewesen war. Und im letzten Jahr hatte ich es nur um ein Haar vermieden, ihn auf der Halloween-Horror-Party zu küssen. Das musste doch etwas zu bedeuten haben.
    Ich verließ also den Pfad, ging zu ihm unter die Eisenbrücke und sagte: »Hi, Alex.«
    Er riss den Kopf zurück, mehr denn je wie ein nervöser Vogel. War es das, was ihn glauben machte, er könne fliegen?
    Er blinzelte. »Hallo.«
    Ich wollte ihn fragen, was er dort mache, doch das kam mir anmaßend vor. Ich setzte mich einfach neben ihn – jedoch nicht zu nah –, legte die Arme auf die Knie und betrachtete das Ding, das er betrachtete. Ich rückte ein bisschen näher und schaute genauer hin. Es war eins dieser Klappmesser.
    Â»Das darfst du eigentlich nicht haben«, sagte ich schockiert.
    Â»Oh, es ist ja nicht so, dass ich es benutzen würde.« Er konnte sehr spöttisch sein, ja, das konnte er.
    Ich umschlang meine Knie und schaukelte vor und zurück. »Was machst du hier?«
    Â»Ich denke nach.«
    Ich fragte mich, warum er in der öligen Luft unter der Brücke nachdenken musste und warum er dazu ein Messer brauchte. Dann bemerkte ich, dass er die Ärmel aufgerollt hatte. Ich riss die Augen auf.
    Â»Du schneidest dich doch nicht selber?«
    Er warf mir einen bitterbösen Blick zu. »Sei nicht albern.«
    Kein Zweifel, seine Arme waren weich und unverletzt. Ich fuhr mir mit der Zunge über die Lippen, verwundert, dass mein Herz so schnell schlug. Ich wollte einen Scherz machen und sagen: Es gibt immer ein erstes Mal, wollte es aber wiederum auch nicht, weil ich bei diesem Satz ein ganz schlechtes Gefühl hatte. Stattdessen sagte ich: »Bleiben wir also hier?«
    Seine Augen wurden ganz groß und blickten ängstlich drein. »Wir?«
    Â»Ja«, sagte ich. »Wir könnten irgendwo einen Kaffee trinken oder so.«
    Â»Ich bin nicht wirklich in der Stimmung …«
    Dennoch: Ich wollte ihn einfach von dieser Brücke weglotsen. »Du gehst doch gern spazieren, oder?«
    Â»Ã„hm«, sagte er. Ȁhm. Ja, schon.«
    Er klappte das Messer zu und steckte es in die Hosentasche.
    Es war eine Art improvisierter Westküstenurlaub, nur besser. Vielleicht lag es daran, dass wir einfach nur älter und weniger ängstlich waren. Ich glaube nicht, dass er ernsthaft vorhatte, sich die Pulsadern aufzuschneiden, aber ich war einfach froh, ihn von der Brücke weggebracht zu haben. Alex schien an meiner Seite zu schweben wie ein Heliumballon. Ich hörte ihn tatsächlich mehr als einmal lachen statt prusten und er hielt sich auch nicht die Hand vor den Mund.
    Da er keine Lust auf Kaffee hatte, blieben wir im Park. Wir kauften uns Eis, drangsalierten die Möwen, alberten auf den Schaukeln und Rutschen herum. Ich weiß nicht mehr, worüber wir redeten, aber dieser Junge konnte echt reden. Ich sprach nicht viel, aber ich genoss seine Gesellschaft. Er hatte interessante Gedanken über Dinge: Bücher, das Leben, die Welt. Ich dachte wieder daran, dass ich seine Beinahe-Freundin gewesen war, und fragte mich, ob es schlecht wäre, oder vielleicht sogar irgendwie gut. Es schien nicht viel Sinn zu haben, sich nach Foley zu verzehren, nicht, wo er doch immer an Annette Nortons Ohr knabberte.
    Wir hätten den Park nicht verlassen sollen. Wenn wir den Park nicht verlassen hätten und zum Gemeindezentrum gegangen wären, eng nebeneinander und lachend, hätten wir die anderen Kids aus der Schule nicht gesehen, hätten wir Foley nicht gesehen. Wir wären weiter zu Starbucks gegangen, hätten einen Kaffee getrunken, uns schließlich voneinander verabschiedet und wären nach Hause gegangen. Unsere Abschiedsblicke hätten vielleicht sogar eine Extrasekunde länger gedauert.
    Aber wir verließen den Park und gingen Richtung Stadt. Und wir hielten an, als wir Leute sahen, die wir kannten – oder besser gesagt, Leute, die ich kannte und an denen Alex gelegentlich im Schulflur vorbeiging.
    Â»Hi«, sagte Foley und lächelte.
    Er löste sich

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