Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das fünfte Paar

Das fünfte Paar

Titel: Das fünfte Paar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Cornwell
Vom Netzwerk:
eher eine Feststellung als eine Frage.
    »Ich glaube jedenfalls nicht, daß junge, gesunde Menschen aus heiterem Himmel ihre Autos stehenlassen und in den Wald gehen, um dort eines natürlichen Todes zu sterben, Mrs. Harvey.«
    »Und wie steht es mit den Theorien - was sagen Sie zu denen? Ich nehme doch an, daß Sie sie kennen.«
    Ich kannte sie.
    Vier verschiedene Gerichtsbezirke und mindestens ebenso viele Detectives arbeiteten an diesen Fällen - und jeder von ihnen hatte mehrere Hypothesen. Zum Beispiel: Die Pärchen waren Junkies und auf einen Dealer gestoßen, der eine neue, tückische synthetische Droge verkaufte, die mit den herkömmlichen toxikologischen Tests nicht nachzuweisen war. Oder: Es gab okkulte Hintergründe. Oder: Die Pärchen waren Mitglieder eines Geheimbundes und die Todesfälle in Wahrheit die Folgen eines Selbstmord-Pakts.
    »Ich halte nichts von den Theorien, die ich gehört habe«, sagte ich.
    »Und weshalb nicht?«
    »Meine Ergebnisse erhärten sie nicht.«
    »Und was erhärten Ihre Ergebnisse?« fragte sie scharf. »Welche Ergebnisse überhaupt? Ich denke, Sie sind zu keinen gekommen?«
    Dunst hatte das leuchtende Blau des Himmels zu zartem Pastell verblassen lassen, durch das ein silbemschimmerndes Flugzeug eine weiße Spur zog. Schweigend beobachtete ich, wie der Kondensstreifen langsam zerfloß. Wenn Deborah und Fred das gleiche Schicksal erlitten hatten wie die anderen Pärchen, dann würden wir sie nicht so bald finden.
    »Meine Debbie hat Drogen niemals angerührt!« Pat Harvey blinzelte die aufsteigenden Tränen zurück. »Und sie hat auch keinen Hang zu Sekten oder irgendwelchen obskuren Kulten. Sie ist himmelhoch jauchzend und zu Tode betrübt wie jeder normale Teenager - aber sie würde nie...« Sie rang um Fassung. »Sie müssen sich dem Hier und Jetzt stellen«, sagte ich leise.
    »So schwer das auch ist. Wir wissen nicht, was mit Ihrer Tochter passiert ist, wir wissen nicht, was mit Fred passiert ist - und es kann lange dauern, bis wir es erfahren. Können Sie mir noch irgend etwas über Deborah erzählen - über die beiden? Jede Kleinigkeit kann wichtig sein!«
    »Heute morgen kam ein Polizeibeamter«, berichtete sie mit einem tiefen, zittrigen Seufzer. »Er nahm Kleidungsstücke von ihr mit - und ihre Haarbürste. Er sagte, die Kleider seien für die Hunde, und die Bürste werde gebraucht, damit man die Haare mit denen vergleichen könne, die man vielleicht im Jeep fände. Möchten Sie Debbies Zimmer sehen?«
    Ich nickte.
    Über eine polierte Hartholztreppe gelangten wir in den ersten Stock. Deborahs Reich lag im Ostflügel, wo sie sehen konnte, wie die Sonne aufging oder sich über dem James River ein Unwetter zusammenbraute. Es war kein typisches Jungmädchenzimmer: Die Einrichtung skandinavisch, schlicht im Design, aus herrlichem hellem Teakholz, der Überwurf des Bettes in zarten Blau- und Grüntönen gehalten, der indische Teppich in Rose und Pflaumenblau. Im Bücherregal standen Lexika und Romane, und über dem Schreibtisch waren zwei Borde Trophäen und Dutzenden von Medaillen an leuchtenden Bändern vorbehalten. Auf dem dritten darüber eine gerahmte Fotografie von Deborah auf dem Schwebebalken, den Rücken gewölbt, die Hände in schwebender Balance wie zierliche Vögel: ein Bild der Disziplin und Eleganz - wie ihr Zimmer. Ich brauchte nicht ihre Mutter zu sein, um zu erkennen, daß dieses Mädchen etwas Besonderes war.
    »Debbie hat jedes Stück selbst ausgesucht«, sagte Mrs. Harvey, während ich mich umschaute. »Die Möbel, den Teppich, die Farben. Niemand würde auf die Idee kommen, daß sie hier vor ein paar Tagen fürs College gepackt hat.« Sie blickte zu den Reisetaschen und dem Schrankkoffer hinüber, die in einer Ecke standen, und räusperte sich. »Sie ist so ordentlich. Das hat sie wohl von mir.« Und mit einem kurzen, schwachen Lächeln fügte sie hinzu: »Ich bin überaus ordentlich.«
    Ich erinnerte mich an Deborahs Jeep: Innen und außen makellos, das Gepäck sorgfältig verstaut.
    »Ich habe mir oft Sorgen gemacht, daß wir sie zu sehr verwöhnen.« Mrs. Harvey trat ans Fenster und schaute hinaus. »Mit Kleidern, mit dem Wagen, mit Geld. Bob und ich hatten viele Diskussionen darüber. Daß ich in Washington arbeite, hat die Sache nicht gerade vereinfacht. Aber als ich letztes Jahr dorthin berufen wurde, kamen wir alle gemeinsam überein, daß es ein Unding wäre, die Familie zu entwurzeln - und Bob hat hier seine Arbeit. Wir hielten es für

Weitere Kostenlose Bücher