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Das fünfte Paar

Das fünfte Paar

Titel: Das fünfte Paar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Cornwell
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Rastplatz an der I-64, zu dem Ellen Deborah und Fred geschickt hatte, war menschenleer. Abby hielt gleich vom bei einer Reihe von Zeitungskästen an, und minutenlang saßen wir schweigend nebeneinander. Ein kleiner Eibisch schimmerte silbrig im Licht der Scheinwerfer, die Laternen malten verwischte, helle Flecken in den Dunst. Wenn ich allein gewesen wäre, hätte ich nicht gewagt, auszusteigen.
    »Unheimlich!« murmelte Abby. »Ich frage mich, ob hier dienstags abends immer sowenig los ist oder ob die Nachrichten die Leute veranlaßt haben, diesen Platz nicht anzufahren.«
    »Vermutlich beides«, antwortete ich. »Aber als Deborah und ihr Freund Freitag abend herkamen, war mit Sicherheit allerhand Betrieb.«
    »Vielleicht haben sie genau da geparkt, wo wir jetzt stehen«, überlegte Abby. »Bestimmt waren jede Menge Leute da, immerhin fing das Labour-Day-Wochenende an. Wenn da einer die beiden dazu bringen konnte, ihn in ihren Jeep steigen zu lassen, muß er ein harmloses Argument für dieses Ansinnen gehabt haben - sonst wäre er Gefahr gelaufen, daß sie um Hilfe riefen.«
    »Wenn er wirklich mit ihnen weiterfuhr - was war dann mit seinem Wagen? Oder kam er vielleicht zu Fuß?«
    »Unwahrscheinlich«, meinte Abby.
    »Falls er ihn hier stehenließ, ging er ein ziemliches Risiko ein: Irgendwann hat sich der Verkehr ja gelegt.«
    »Ich verstehe, was du meinst: Wenn sein Auto schließlich als einziges dastand - und noch dazu verlassen -, konnte es die Aufmerksamkeit eines Troopers erregen, der es dann überprüft hätte.«
    »Ob ein Verbrecher so leichtsinnig wäre?« fragte ich skeptisch. »Was mir Kopfzerbrechen macht«, sagte Abby, »ist das Zufallsmoment. Daß die jungen Leute auf diesen Rastplatz fuhren, war Zufall. Wenn sie hier auf ihren Mörder trafen - vorausgesetzt, sie wurden ermordet -, kann das ebenfalls Zufall gewesen sein. Es besteht aber auch die Möglichkeit, daß sie entführt wurden - beispielsweise von dem Kaffeetrinker... Dann war es kein Zufall, sondern geplant.«
    Ich antwortete nicht. Zufall, eine politisch motivierte Entführung, die Tat eines Psychopathen oder einer Person des öffentlichen Lebens - die Auswahl war groß. Nur die Vermutung, das Pärchen sei durchgebrannt, war meiner Meinung nach abzuhaken. Das Rätsel konnte wohl nur eine tragische Auflösung finden. Wir verließen den Rastplatz.
    Abby sprach erst wieder, als wir auf der Interstate waren und sie den Tempomat eingeschaltet hatte.
    »Du glaubst, daß sie tot sind, stimmt's?«
    »Willst du mich zitieren?«
    »Nein, Kay - das will ich nicht. Weißt du was? Im Augenblick ist mir die Story total egal - ich möchte nur wissen, was zum Teufel eigentlich vorgeht.«
    »Weil du um dich selbst besorgt bist.«
    »Wärest du das nicht?«
    »Doch - wenn ich den Eindruck hätte, daß man mein Telefon abhört, meine Post manipuliert und mich beschattet, wäre ich sicher auch besorgt. Apropos besorgt: Es ist spät, du bist erschöpft - es wäre verrückt, jetzt nach Washington zurückzufahren.«
    Sie warf mir einen fragenden Blick zu.
    »Ich habe genug Platz - und du kannst ja morgen schon früh aufbrechen.«
    »Ich nehme dein Angebot dankend an - wenn du eine neue Zahnbürste für mich hast und ich mich an deiner Bar vergreifendarf.«
    Ich lehnte mich zurück und schloß die Augen. »Von mir aus kannst du trinken, bis es dir aus den Ohren rausläuft. Vielleicht leiste ich dir dabei sogar Gesellschaft.«
    Als ich kurz nach Miternacht meine Haustür aufschloß, begann das Telefon zu klingeln. Ich kam dem Anrufbeantworter zuvor.
    »Kay?«
    Mein Herz machte einen Satz. »Hallo, Mark.«
    »Entschuldige, daß ich so spät abends anrufe...«
    Zu meinem Ärger zitterte meine Stimme, als ich ihn betont munter unterbrach: »Das macht gar nichts: Ich habe Besuch. Bestimmt erinnerst du dich, daß ich dir von meiner Freundin Abby Turnbull erzählt habe, die bei der Post arbeitet. Sie bleibt über Nacht. Wir haben uns ewig nicht gesehen.«
    Eine lange Pause folgte. Dann sagte er: »Vielleicht rufst du mich mal an, wenn du Zeit hast.«
    Als ich auflegte, schaute Abby mich erschrocken an: Wenn ich so aussah, wie ich mich fühlte, hatte sie allen Grund dazu. »Wer um Himmels willen war denn das, Kay?«
    Während meiner ersten Monate in Georgetown war ich so eingeschüchtert von der juristischen Fakultät und der ungewohnten Umgebung, daß ich mich völlig abkapselte. Ich war damals zwar schon Ärztin, kam jedoch aus der unteren Mittelschicht - in Miami

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