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Das fünfte Paar

Das fünfte Paar

Titel: Das fünfte Paar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Cornwell
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mit einem Officer, der einen Metalldetektor in der Hand hielt - und Wesley wäre nicht alarmiert worden, wenn die Polizei sich nicht sicher gewesen wäre. Er stand militärisch aufrecht und strahlte die gelassene Selbstsicherheit eines Beamten aus, der das Sagen hat. Weder das Wetter noch der Gestank verwesenden Fleisches schienen ihn zu irritieren. Seinem ganzen Verhalten nach war er schon vor längerer Zeit angekommen - bestimmt lange bevor ich benachrichtigt wurde. Die Toten lagen bäuchlings nebeneinander auf einer kleinen Lichtung - etwa vierhundert Meter von dem schlammigen Holzweg entfernt, auf dem wir unsere Autos abgestellt hatten. Der Zersetzungsprozeß war schon so weit fortgeschritten, daß die Körper teilweise skelettiert waren. Die langen Knochen von Armen und Beinen ragten wie schmutzige graue Stöcke aus der mit Laub bedeckten, verrotteten Kleidung. Die Köpfe waren abgetrennt und - wahrscheinlich von kleineren Tieren - ein Stück weggerollt oder - geschoben worden.
    »Haben Sie ihre Schuhe und Strümpfe?« fragte ich, als ich sah, daß beides fehlte.
    »Nein, Ma'am - aber eine Handtasche.« Morrell deutete auf die rechte Leiche. »Vierundvierzig Dollar und sechsundzwanzig Cents und ein Führerschein waren drin - Deborah Harveys Führerschein.« Wieder streckte er den Zeigefinger aus. »Wir nehmen an, das links ist Cheney.«
    Gelbe Plastikbänder grenzten die Lichtung ab. Zweige knackten unter den Tritten umhergehender Männer, deren Stimmen sich zu einem unverständlichen Gemurmel vermischten. Es goß in Strömen. Ich öffnete meine Arzttasche und holte ein Paar OP-Handschuhe und die Kamera heraus.
    Eine Weile stand ich regungslos da und starrte auf die Überreste jungen Lebens hinunter. Um ihr Geschlecht zweifelsfrei feststellen zu können, würde ich ihre Becken untersuchen müssen, die jetzt noch von Gewebe bedeckt waren, das wie dunkelblauer oder schwarzer Jeansstoff aussah, doch aufgrund der Charakteristika des rechten Körpers - zarte Knochen, kleiner Schädel, mit zierlichen Schläfenbeinen, nicht vorstehendes Stirnbein und lange blonde Haarsträhnen, die an Stoffresten klebten - hatte ich Anlaß, ihn für weiblich zu halten. Die Größe der anderen Leiche, der kräftige Körperbau, das ausgeprägte Stirnbein und der große Schädel sprachen für einen Mann.
    Ich vermochte nicht zu sagen, was den beiden zugestoßen war. Ich konnte keine offensichtlichen Frakturen oder Löcher erkennen, die auf Schläge oder Kugeln hätten schließen lassen. Der junge Mann und das Mädchen lagen friedlich im Tod vereint, die Knochen ihres linken Arms waren unter die seines rechten geschoben, als habe sie am Ende zu ihm hinübergelangt. In den leeren Augenhöhlen schwamm der Regen wie Tränen. Erst als ich näher herantrat und auf die Knie ging, entdeckte ich neben den Leichen einen schmalen Streifen dunklen Bodens. Wenn die beiden am Labour-Day-Wochenende gestorben waren, hatten die Bäume noch ihre Blätter-demnach konnte unter den Körpern kaum etwas anderes sein als nackte Erde. Was ich da sah, gefiel mir ganz und gar nicht: Schlimm genug, daß die Polizisten hier schon seit Stunden herumtrampelten - aber die Lage einer Leiche zu verändern oder sie auch nur anzufassen, bevor der Medical Examiner sie untersucht hat, ist ein Kardinalfehler, und jeder der anwesenden Officer wußte das sehr genau.
    »Dr. Scarpetta?« Morrells Atem stieg auf wie Dampfwolken. »Ich habe gerade mit Phillips gesprochen.« Er warf einen Blick zu den Beamten hinüber, die etwa sechs Meter östlich von uns das Unterholz durchsuchten. »Er hat eine Armbanduhr und einen Ohrring gefunden - und etwas Wechselgeld. Ganz in der Nähe der Toten. Interessanterweise schlug der Metalldetektor danach weiter an. Phillips hielt ihn genau über die Leichen, und das Ding piepste weiter. Könnte wegen eines Reißverschlusses sein. Oder wegen eines Metallhakens oder Nieten an den Jeans. Ich dachte, Sie sollten das wissen.«
    Ich schaute in sein ernstes, hageres Gesicht hinauf. Er zitterte trotz seines gefütterten Parkas.
    »Sagen Sie mir, was abgesehen von der Untersuchung mit dem Detektor noch mit den Leichen gemacht wurde, Morrell. Ich sehe, daß sie bewegt worden sind. Ich muß wissen, ob sie sich wieder genau in der Position befinden, in der man sie heute früh fand.«
    »Was die Jäger gemacht haben, die sie fanden, weiß ich natürlich nicht«, antwortete er, den Blick starr auf die Bäume gerichtet. »Sie schwören allerdings, daß sie nicht

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