Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das fünfte Paar

Das fünfte Paar

Titel: Das fünfte Paar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Cornwell
Vom Netzwerk:
einmal nah rangetreten sind. Jedenfalls lagen die beiden so wie jetzt, als wir ankamen. Wir haben lediglich nach Papieren geschaut und die Handtasche durchsucht.«
    »Ich nehme an, Sie haben Fotos gemacht, bevor Sie etwas anrührten«, sagte ich, um Beherrschung bemüht.
    »Wir haben sofort nach unserem Eintreffen damit angefangen.«
    Ich holte eine kleine Stablampe aus meiner Arzttasche und machte mich an die Spurensuche. Wenn Leichen so viele Monate den Elementen ausgesetzt waren, ist die Chance, aufschlußreiche Haare, Fäden oder andere Hinweise zu finden, jedoch verschwindend gering.
    Morrell sah mir zu und trat nervös von einem Fuß auf der anderen.
    »Haben Ihre Ermittlungen irgend etwas ergeben, das uns weiter bringen könnte - vorausgesetzt, diese beiden sind Deborah Harvey und Fred Cheney?« fragte ich, denn ich hatte Morrell seit damals im August auf dem Rastplatz weder gesehen noch gesprochen.
    »Nichts- außer einem möglichen Drogenaspekt«, erwiderte er. »Fred Cheneys Zimmerkamerad auf dem College schnupfte Koks. Vielleicht hat das Pärchen durch ihn einen Dealer kennengelernt und ist hier rausgekommen, um sich mit dem zu treffen.«
    Das ergab keinen Sinn.
    »Warum sollten die beiden den Jeep auf dem Rastplatz stehenlassen und sich dann hier mit einem Dealer treffen? Wozu der Umstand? Weshalb haben sie das Rauschgift nicht auf dem Rastplatz gekauft und sind weitergefahren?«
    »Vielleicht wollten sie sich hier etwas 'reinziehen.«
    »Eine reichlich abwegige Idee. Aber wenn wir sie trotzdem einmal in Betracht ziehen, gibt es einen Punkt, der sie noch abwegiger macht: Sie müßten barfuß durch den Wald gewandert sein - denn hier sind nirgends ihre Schuhe und Strümpfe zu finden gewesen.«
    »Wir wissen nicht, wo die Schuhe und Strümpfe geblieben sind«, antwortete er.
    »Mit diesem sind bisher fünf Paare gefunden worden - und bei keinem von ihnen wissen wir, wo die Schuhe und Strümpfe geblieben sind! Kommt Ihnen das nicht merkwürdig vor?«
    »O doch, Ma'am - das kommt mir schon merkwürdig vor«, gab Morrell widerstrebend zu. Er schlang die Arme um seinen Körper, um sich zu wärmen. »Aber im Augenblick muß ich diesen Fall bearbeiten - ohne Parallelen zu den anderen Paaren zu ziehen. Ich muß mich an das halten, was ich habe - und alles, was ich im Moment habe, ist ein möglicher Drogenaspekt. Ich darf mich nicht von der Serienmord-Geschichte beeinflussen lassen - und auch nicht davon, wer die Mutter des Mädchens ist. Sonst könnte ich falsche Schlüsse ziehen oder Fakten übersehen.«
    »Das möchte ich natürlich auf keinen Fall.« Er schwieg. »Haben Sie irgendwelche Hinweise auf Drogenkonsum im Jeep gefunden?«
    »Nein - und hier draußen auch nicht. Aber wir haben die Erde und das Laub noch nicht untersucht.«
    »Das Wetter ist grauenhaft. Ich halte es nicht für sinnvoll, das unter diesen Bedingungen in Angriff zu nehmen.«
    Ich hörte selbst, wie ungeduldig und verärgert ich klang. Ich war wütend auf Morrell, wütend auf die gesamte Polizei. Wasser rann an meinem Mantel herunter, meine Knie schmerzten, Hände und Füße wurden allmählich gefühllos, der Verwesungsgestank war betäubend, und das Klatschen der Regentropfen auf den Blättern zerrte an meinen Nerven.
    »Ich meine auch, daß wir damit noch warten sollten«, stimmte er mir zu. »Man sieht ja kaum was. Bisher haben wir nur den Metalldetektor eingesetzt - und unsere Augen.«
    »Je mehr wir alle hier herumlaufen, um so größer ist die Gefahr, daß wir Spuren vernichten. Knochensplitter, Zähne oder andere kleine Dinge werden zertreten oder in den Schlamm gedrückt.«
    Seit Stunden liefen die hier schon herum, vermutlich war jede Spur längst zertrampelt.
    »Wollen Sie die beiden heute noch wegschaffen oder liegen lassen, bis sich das Wetter bessert?« fragte er.
    Unter gewöhnlichen Umständen hätte ich gewartet, bis es aufhörte zu regnen und die Sichtverhältnisse günstiger wären. Wenn Leichen monatelang im Wald gelegen haben, verändert sich ihr Zustand nicht wesentlich, wenn sie, mit Plastikplanen abgedeckt, noch weitere ein, zwei Tage dort verbleiben. Aber als Marino und ich angekommen waren, hatten wir gesehen, daß bereits mehrere Fernsehteams da waren. Einige Reporter saßen abwartend in ihren Autos, andere trotzten dem Regen und versuchten, den Wachtposten Informationen zu entlocken. Die Umstände waren also alles andere als gewöhnlich. Ich hatte kein Recht, Morrell Vorschriften zu machen - aber ich hatte die

Weitere Kostenlose Bücher