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Das fünfte Paar

Das fünfte Paar

Titel: Das fünfte Paar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Cornwell
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Prozession: Voran die Polizeibeamten mit den Bahren, auf denen die orangefarbenen Leichensäcke lagen, und dahinter wir, schweigend und mit gesenkten Köpfen. Als wir den schmalen, ungepilasterten Weg erreichten, kam plötzlich ein böiger Nordwind auf, und der Regen wurde eisig.
    Mein dunkelblauer Dienstwagen war als Leichentransporter ausgerüstet. In dem Sperrholzboden verankerte Befestigungen verhinderten, daß die Bahren während der Fahrt verrutschten. Ich glitt hinters Steuer und schnallte mich gerade an, als Marino einstieg.
    Morrell knallte die Heckklappe zu. Kameraaugen hielten die Szene fest. Ein Reporter klopfte an mein Fenster. Ich verriegelte die Türen.
    »Grundgütiger!« stöhnte Marino. »Ich hoffe, das war mein letzter derartiger Fall!« Er drehte die Heizung voll auf. Im Außenspiegel beobachtete er, wie die Journalisten in ihre Autos sprangen. »Diese Aasgeier! Irgendein Arschloch muß gequatscht haben. Sicher Morrell, dieser Blödmann! Wenn der mir unterstünde, dürfte er nur noch Strafzettel ausstellen oder die Kleiderkammerverwalten.«
    »Wissen Sie, wie wir auf die Sixty-Four zurückkommen?. fragte ich.
    »Da vorne ist eine Gabelung - rein kompaßmäßig müßten wir richtig liegen, wenn wir die linke Abzweigung nehmen.« Er öffnete das Fenster einen Spalt und holte seine Zigaretten aus der Tasche. »Der Gestank dringt sogar durch die Trennwand - mal sehen, wie sich Tabakqualm dazu macht.«
    Eine halbe Stunde später schloß ich die Hintertür des GCME-Gebäudes auf und drückte auf einen roten Knopf an der Innenwand. Mit lautem Kreischen öffnete sich das große Tor. Licht fiel auf den nassen Asphalt. Ich fuhr rückwärts in die Garage, stieg aus und öffnete die Heckklappe. Wir zogen die Bahren heraus und rollten sie gerade in den Flur, als einige Pathologen aus dem Lift traten. Sie lächelten uns im Vorbeieilen zu, ohne unserer »Anlieferung« mehr als einen flüchtigen Blick zu schenken: Der Anblick war für sie ebenso alltäglich wie die Hohlziegelwände. Blutlachen auf dem Fußboden und fauliger Gestank gehörten zu unserem Leben.
    Ich zückte einen zweiten Schlüssel und sperrte das Vorhängeschloß an der stählernen Kühlkammertür auf, machte mich auf die Suche nach Etiketten, beschriftete und befestigte sie an den Säcken und trug die Neuzugänge in die Liste ein, bevor wir sie auf eine Doppeldeckerbahre »umbetteten« und für die Nacht stehen ließen.
    »Sind Sie einverstanden, wenn ich morgen vorbeikomme, um zu erfahren, ob es was Neues gibt?«
    »Natürlich.«
    »Es sind bestimmt die beiden«, meinte er. »Sie müssen es sein.«
    »Ich fürchte auch. Was macht Wesley eigentlich?«
    »Der ist auf dem Weg nach Quantico, wo er seine italienischen Maßschuhe auf den protzigen Schreibtisch legen und sich den Bericht per Telefon durchgeben lassen kann.«
    »Ich dachte, Sie beide seien Freunde«, sagte ich vorsichtig.
    »Partner«, korrigierte Marino. »Soweit man Wesleys Partner sein kann.«
    »Haben Sie dieses Wochenende Abendschicht?« erkundigte ich mich.
    »Bis jetzt nicht - aber das kann sich in dem Affenstall ja jederzeit ändern.«
    »Wie wär's, wenn wir uns verabreden? Sonntag abend bei mir? Zum Dinner? So zwischen sechs und halb sieben?«
    »Ja, das könnt' ich schon einrichten.«
    Er senkte den Blick-doch ich hatte den Schmerz in seinen Augen noch gesehen. Ich hatte gehört, daß seine Frau seit Thanksgiving in New Jersey sei - angeblich um ihre Mutter zu pflegen, die im Sterben lag. Seit damals hatte ich mehrfach mit Marino gegessen, doch er hatte sein Privatleben immer aus der Unterhaltung herausgehalten. Nachdem er sich verabschiedet hatte, ging ich zu meinem Spind, in dem ich für den Notfall Ersatzkleidung hatte. Ich war völlig verdreckt, der Gestank des Todes hing in meinen Kleidern, klebte an meiner Haut und in meinen Haaren und lag auf meiner Zunge. Hastig stopfte ich meine Sachen in einen Plastiksack und befestigte eine Nachricht für den Hausmeister daran, damit er sie morgen früh sofort in die Reinigung schaffte. Dann trat ich in die Duschkabine. Ich blieb sehr lange drin.
    Einer der vielen Ratschläge, die Anna mir nach Marks Übersiedlung nach Denver gegeben hatte, lautete: »Körperliche Betätigung.«
    Ein gräßlicher Gedanke!
    »Endorphine lindem Depressionen. Sie werden mehr Appetit bekommen, gut schlafen und sich insgesamt viel besser fühlen. Sie haben doch früher Tennis gespielt. Was halten Sie davon, wieder damit anzufangen?«
    Die Befolgung

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