Das fünfte Paar
Rede sein. Es passieren unglaubliche Dinge!«
Die Bedienung brachte meinen Espresso und Abbys Drink. Nachdem sie wieder gegangen war, sagte Abby: »Zwei Tage nach meinem Ausflug nach Richmond wurde bei mir eingebrochen.«
»Mein Gott! Ist was gestohlen worden?«
»O nein!« Sie lachte freudlos. »Und "eingebrochen" ist auch nicht das richtige Wort: Ich sollte wohl besser sagen, man hat meine Wohnungstür widerrechtlich geöffnet - ohne sie zu beschädigen.«
Ich sah sie fragend an.
»Ich habe einen Computer zu Hause, und auf der Festplatte speichere ich meine Recherchen über die Pärchen und ihre rätselhaften Tode. Mein Gerät ist so eingestellt, daß es alle zehn Minuten abspeichert, woran ich gerade arbeite - damit nichts verlorengeht, wenn mal der Strom ausfällt. In der Bruchbude, in der ich wohne, sind solche kleinen Unregelmäßigkeiten an der Tagesordnung.«
»Abby - worauf willst du hinaus?«
»Der Computer hält auch alle zehn Minuten Datum und Uhrzeit fest.«
»Und?«
»Erinnerst du dich an unseren Abstecher zu dem Seven-Eleven an der I-64?«
Ich nickte.
»Ich machte mir Notizen, als ich mit dem Mädchen sprach.« »Das habe ich mitbekommen.«
»Ich sprach noch mit einer Menge anderer Leute - einschließlich Pat Harvey. Nach meiner Rückkehr aus Richmond wollte ich meine Aufzeichnungen gleich in den Computer geben - aber ich kam nicht dazu. Mittwoch früh fuhr ich aus Richmond weg. Gegen Mittag sprach ich mit meinem Chef - und der hatte plötzlich kein Interesse mehr an dem Harvey-Cheney-Fall! Er sagte, wir müßten die Story schieben, weil eine Wochenendserie über Aids geplant sei. Das fand ich höchst merkwürdig: Zuerst sollte die Geschichte möglichst vorgestern fertig sein, und dann hatte ich plötzlich einen neuen Auftrag - und noch dazu einen, der überhaupt nicht in mein Ressort fiel!« Sie hielt inne, um sich eine Zigarette anzuzünden. »Es lief so, daß ich keine freie Minute hatte - bis zum Samstag. Und als ich mich dann endlich an meinen Computer setzen konnte, um meine Aufzeichnungen zu übertragen, stand da ein Datum, das ich nicht begriff: Freitag, dreizehnter September, vierzehn Uhr dreizehn. Da war ich aber gar nicht zu Hause! Jemand hatte sich mein Material vorgenommen, Kay!«
»Und wer, glaubst du, war es?«
»Das FBI zum Beispiel.«
»Also wirklich, Abby!« Ich verdrehte die Augen.
»Es gibt vieles, was du nicht weißt.«
»Dann erzähl's mir doch.«
»Warum, denkst du, habe ich mich von der Post freistellen lassen?«
»Laut New York Times, um ein Buch zu schreiben.«
»Und du meinst, daß ich das schon vorhatte, als ich bei dir war.«
»Das ist ja wohl anzunehmen.«
»Aber es stimmt nicht. Ich schwöre es!« Sie beugte sich vor und fügte mit zitternder Stimme hinzu: »Sie haben mich versetzt! Kannst du dir vorstellen, was das für mich bedeutete?« Ich war sprachlos.
»Schlimmer wäre nur eine Kündigung gewesen, aber rauswerfen konnten sie mich nicht - sie hatten keinen Grund. Da hatte ich gerade erst eine Auszeichnung für hervorragende Reporterarbeit bekommen - und jetzt verdonnerte man mich dazu, Features zu schreiben! Hast du gehört? Features! Sag mir, was das soll?«
»Ich weiß es nicht, Abby.«
»Beweisen kann ich es nicht - noch nicht! -, aber ich bin überzeugt, daß da was ganz Großes am Kochen ist. Eine Jahrhundertstory! Bei den Features konnte ich nicht bleiben - schließlich wollte ich ja noch in den Spiegel schauen können -, also beschloß ich, einen Alleingang zu starten, und schloß den Buchvertrag ab. Um meinen Boß zu ärgern, habe ich nicht gekündigt, sondern unbezahlten Urlaub genommen. Kay - ich habe Angst!« Mühsam hielt sie die Tränen zurück.
»Erzähl mir was!«
»Ich hab' dir schon eine ganze Menge erzählt. Wie ich damals die falsche Ausfahrt erwischte, in Camp Peary landete und dann die Beamten vom FBI zu mir kamen.«
»Das reicht mir nicht.«
»Der Angelpunkt der Geschichte muß der Herzbube sein.« Als sie meiner Miene entnahm, daß ich keine Ahnung hatte, wovon sie sprach, sah sie mich erstaunt an: »Du weißt nichts davon?«
»Absolut nicht.«
»In jedem der Fälle wurde eine Spielkarte gefunden.« Sie fixierte mich ungläubig.
Jetzt erinnerte ich mich vage an ein Gesprächsprotokoll der Polizei, das ich nach langem Betteln bekommen hatte: Der Detective aus Gloucester hatte mit einem Freund von Bruce Phillips und Judy Roberts gesprochen - dem ersten Pärchen, das verschwand und dann tot aufgefunden wurde. Was
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