Das fünfte Paar
erzählte ihm weitere Details, die ich in Washington von Abby erfahren hatte - angefangen mit der Spielkarte.
»Ich weiß jetzt, daß die Leichen von Deborah Harvey und Fred Cheney bewegt wurden«, sagte ich. »Und ich glaube, jetzt begreife ich, weshalb.«
»Ich nicht.«
»Wir beide kamen auf den Rastplatz, ehe jemand den Jeep durchsuchte«, begann ich. »Und wir haben keinen Hetzbuben gesehen, weder auf dem Armaturenbrett noch auf einem der Sitze oder sonstwo im Wagen.«
»Er kann ja im Handschuhfach gelegen haben. Vielleicht haben die Cops ihn da gefunden, nachdem die Hunde mit Schnüffeln fertig waren. Falls die Kartengeschichte überhaupt stimmt«, fügte er hinzu und schaltete den Tempomat ein. »Ich jedenfalls weiß davon nichts.«
»Nehmen wir einfach mal an, daß sie stimmt.«
»Ich höre.«
»Zuerst dachte ich, Wesley könnte sie an sich genommen haben - aber dann fiel mir ein, daß er ja erst nach uns eintraf. Später wurde der Jeep von der Polizei durchsucht - und entweder stand Wesley daneben oder rief zumindest anschließend Morrell an, um sich über das Ergebnis informieren zu lassen. Falls keine Karte da war - und ich wage darauf zu wetten -, muß das Wesley einiges zu denken gegeben haben: Entweder hatte Deborahs und Freds Verschwinden nichts mit den anderen Fällen zu tun - oder die Karte läge, falls die beiden tot wären, diesmal vielleicht bei den Leichen.«
»Und Sie meinen, daß sie deshalb vor Ihrer Ankunft gefilzt wurden - um die Karte zu finden?«
»Das scheint mir eine plausible Erklärung. Benton und die Polizei wissen, daß sie Leichen nicht anfassen dürfen, bevor der Medical Examiner sie sich angesehen hat - aber Wesley wollte nicht riskieren, daß der Herzbube mir in die Hände fiele. Oder Ihnen.«
»So ein Quatsch! Er hätte uns doch sagen können, daß wir es für uns behalten sollen, statt eigenmächtig herumzufummeln«, gab Marino zu bedenken. »Und wie hätte er die Karte unbemerkt an sich nehmen sollen? Es wimmelte da draußen doch von Cops - die hätten sich sicher gewundert, wenn er darauf bestanden hätte, die Leichen unbeobachtet von ihnen zu durchsuchen.«
»Vielleicht dachte er, Polizisten ließen sich leichter zum Schweigen verpflichten. Wenn ich bei Deborah oder Fred eine Spielkarte gefunden hätte, wäre das in meinem Bericht erschienen. Staatsanwälte, meine Mitarbeiter, Familien, Versicherungsgesellschaften - alle möglichen Leute sehen meine Protokolle.«
»Okay, okay.« Marino wurde ungeduldig. »Aber was sollte das ausmachen? Warum diese Geheimnistuerei?«
»Ich weiß es nicht - aber wenn Abbys Verdacht stimmt, dann muß es für jemanden ungeheuer wichtig sein, daß die Sache mit dem Herzbuben nicht bekannt wird.«
»Seien Sie mir nicht böse, Doc - aber ich habe schon immer den Eindruck gehabt, daß Abby Tumbull einen Knall hat.«
»Ich habe nie festgestellt, daß sie gelogen hätte.«
»Das kann ich nicht beurteilen - aber meiner Meinung nach kann man ihr nicht trauen.«
»Der Detective aus Gloucester erwähnte Spielkarten in einem Bericht, den ich gelesen habe.«
»Vielleicht ist die gute Abby dadurch darauf gekommen und hat sich daran festgebissen. Und jetzt stellt sie wüste Vermutungen an. Hofft auf die große Sensation, die ihr Ruhm und Ehre bringt.« »Wenn ich mich recht erinnere, haben Sie auch einmal gesagt, daß möglicherweise jemand gedeckt werde«, sagte ich.
»Kann sein - aber ich mache keinen Drei-Manegen-Zirkus daraus.«
»Ich gebe ja zu, daß Abby im Moment einen ziemlich chaotischen Eindruck macht. Sie hat Angst, und sie ist aufgebracht - aber was ihren Charakter angeht, kann ich Ihnen nicht zustimmen.«
»Hören Sie«, sagte er. »Sie kommt nach Richmond und tut, als läge ihr nichts ferner, als Sie auszuhorchen - und als nächstes lesen Sie in der New York Tirnes, daß sie ein Buch über die Fälle schreibt. O ja - sie hat wirklich einen edlen Charakter, Doc!«
Ich lehnte mich zurück, schloß die Augen und lauschte der Countrymusic, die aus dem Radio drang. Die Sonne schien warm auf meinen Schoß - und plötzlich überfiel mich die Nachwirkung des frühen Aufstehens: Ich döste ein. Als ich wiederauftauchte, holperte der Wagen mitten im Niemandsland eine ungepflasterte Straße entlang.
»Willkommen in der Weltstadt Six Mile«, verkündete Marino mit einer ausgreifenden Geste.
»Wo ist hier eine Stadt?« Nirgends ein Laden. Keine Tankstelle. Die Blue Ridge Mountains schwammen in weiter Ferne im Dunst. Hin und wieder
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