Das fünfte Paar
worden wären, sondern stets die Lichtung als Tatort angesehen.
»Da ist ein Mann!« sagte Hilda unvermittelt.«»Hellhäutig. Nicht sehr groß. Aber auch nicht klein. Mittelgroß und schlank. Aber nicht mager. Ich weiß nicht, wer es ist - aber da ich nichts Starkes spüre, nehme ich an, daß es jemand war, der sich mit ihnen getroffen hat. Ich spüre Freundlichkeit. Gelächter. Es ist, als sei er sehr nett zu den beiden gewesen. Ich fühle, daß sie irgendwann mit ihm gelacht haben. Und ihm vertrauten.«
»Sehen Sie noch etwas von ihm?« fragte Marino heiser. »Vielleicht sein Gesicht?«
Sie rieb wieder über die Fotos. »Ich sehe etwas Dunkles. Es ist möglich, daß er einen dunklen Bart hat - oder etwas Dunkles einen Teil seines Gesichts verdeckt. Vielleicht trägt er dunkle Kleider. Ich fühle ganz eindeutig eine Verbindung mit dem Pärchen und dem Ort, an dem die Aufnahmen gemacht wurden.« Sie öffnete die Augen und starrte an die Decke. »Die erste Begegnung war freundlich. Nichts, was die beiden geängstigt hätte. Aber dann kommt die Furcht - ganz stark, an dieser Stelle im Wald.«
»Was noch?«
Marino war so angespannt, daß seine Halsvenen wie Stricke hervortraten. Wenn er sich noch zwei Zentimeter weiter vorbeugte, würde er vom Sofa fallen.
»Zwei Dinge«, sagte sie. »Sie sind vielleicht nicht wichtig, aber ich spüre sie. Schwingungen von einem anderen Ort, der nicht auf diesen Bildern ist - in Verbindung mit dem Mädchen. Vielleicht ist sie irgendwohin mitgenommen worden oder hingegangen. Dieser Ort könnte ganz in der Nähe sein. Vielleicht auch nicht. Ich bekomme den Eindruck von Enge, von Dingen, die nach ihr greifen. Panik, Lärm, Bewegung. Nichts Positives. Und dann ist da etwas, das jemand verloren hat. Etwas Metallenes, das mit Krieg zu tun hat. Aber es geht nichts Böses davon aus - das Objekt selbst ist ungefährlich.«
»Und wer hat dieses Metalldings verloren?« Marino konnte kaum sprechen.
»Die Person ist am Leben. Ich sehe kein Bild, aber ich fühle, daß es ein Mann ist. Er weiß, daß er es verloren hat, aber er macht sich keine ernsthaften Sorgen deswegen - aber es ist, als denke er hin und wieder daran.«
Sie verfiel in Schweigen. Wieder läutete das Telefon.
»Haben Sie etwas davon Pat Harvey gegenüber erwähnt?« fragte ich.
»Als sie sich an mich wandte, waren die Leichen noch nicht gefunden«, erwiderte Hilda. »Ich hatte diese Fotos nicht zur Verfügung.«
»Dann hatten Sie also keinen der Eindrücke, die Sie uns jetzt geschildert haben?«
Sie dachte nach. »Wir fuhren zu dem Rastplatz, und sie führte mich zu der Stelle, an der der Jeep abgestellt worden war. Ich stand eine ganze Weile dort. Ich erinnere mich, daß ich ein Messer sah.« Marino setzte sich kerzengerade hin. »Ein Messer?«„]a - ich sah ein Messer. Nicht ganz deutlich, aber es war auf jeden Fall ein Messer.«
»Was für eine Art Messer?« fragte er, und ich erinnerte mich daran, wie er Gail, der Hundehalterin, sein Schweizermesser gegeben hatte, weil sie die Tür des Jeeps aufmachen mußte. »Ein langes Messer«, sagte Hilda. »Wie ein Jagdmesser - oder ein Soldatenmesser. Der Griff war irgendwie besonders. Schwarz und aus einer Art Gummi. Die Klinge bringe ich mit dem Durchschneiden von harten Dingen in Verbindung, vielleicht Holz.«
»Ich bin nicht sicher, ob ich Sie richtig verstanden habe«, sagte ich, obwohl ich mir sehr gut vorstellen konnte, was sie meinte. Aber ich wollte sie nicht beeinflussen.
»Mit Zähnen. Wie eine Säge. Ich glaube, sie hatte einen Sägeschliff«, antwortete sie.
»Und das kam Ihnen in den Sinn, als Sie auf dem Rastplatz standen?« Marino sah sie ungläubig an.
»Ich spürte nichts Furchterregendes«, erzählte sie weiter, »aber ich sah das Messer - und ich wußte, daß das Pärchen nicht in dem Jeep gesessen hatte, als er auf dem Rastplatz abgestellt wurde. Ich fühlte die Gegenwart der beiden nicht. Sie sind niemals dort gewesen.« Wieder schloß sie die Augen und runzelte die Stirn. »Ich erinnere mich, daß ich Nervosität fühlte. Jemand war nervös und in Eile. Ich sah Dunkelheit - als wäre es Nacht. Dann ging jemand. Schnell. Ich konnte nicht sehen, wer es war.«
»Können Sie es jetzt?« fragte ich.
»Nein. Ich kann ihn nicht sehen.«
»Ihn?«
»Ich glaube, ich hatte den Eindruck, es sei ein Mann.«
»Und das alles haben Sie Pat Harvey gesagt, als Sie mit ihr auf dem Rastplatz waren?« wollte Marino wissen.
»Einiges davon, ja. Ich kann mich
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