Das fünfte Paar
ist.«
»Verkauft Federal Hydra-Shok-Patronen zum Wiederladen?« fragte ich.
»Das ist das Problem: Nein. Nur die Hülsen sind auf dem Markt erhältlich. Aber das heißt nicht, daß jemand sich nicht auf anderem Wege Patronen beschaffen könnte: durch Diebstahl in der Fabrik oder einen Kontaktmann, der dort arbeitet. Ich bekäme sie zum Beispiel auch - wenn ich behaupten würde, ich brauchte sie für ein spezielles Projekt. Möglichkeiten gibt es viele.« Sie holte eine Dose Cola light aus ihrem Schreibtisch und setzte hinzu: »Mich überrascht kaum noch was.«
»Weiß Marino, was Sie festgestellt haben?« »Ich habe ihn angerufen.«
»Danke, Linda«, sagte ich und stand auf. In meinem Kopf nahm eine Theorie Gestalt an, die sich grundlegend von der ihren unterschied, jedoch unglücklicherweise sehr viel wahrscheinlicher war. Schon der bloße Gedanke machte mich wütend. Im Laufschritt kehrte ich in mein Büro zurück, riß den Hörer von der Gabel und wählte Marinos Piepser an.
Er rief mich fast umgehend zurück. »Dieses Miststück!« sagte er statt einer Begrüßung.
»Wer? Linda?« fragte ich verblüfft.
»Morrell! Dieses verlogene Arschloch! Ich habe gerade mit ihm telefoniert. Er sagte, er habe keine Ahnung, wovon ich redete - bis ich ihm auf den Kopf zusagte, daß er Beweisstücke unterschlage oder wiederverwende, und ihn verdächtigte, Waffen und Munition zu stehlen. Als ich ihm drohte, eine Untersuchung gegen ihn anzuleiem, hat er gesungen.«
»Er hat die Hülse gekennzeichnet und absichtlich dortgelassen, nicht wahr?«
»Genau. Die Hülse, die wir suchten, ist schon letzte Woche gefunden worden. Der Saukerl plaziert das getürkte Beweisstück und jammert mir die Ohren voll, daß er nur getan habe, was das FBI ihm befahl.«
»Und wo ist die echte Hülse?« Das Blut pochte in meinen Schläfen.
»Die hat das Labor vom FBI. Sie und Ihr sehr Ergebener verbrachten den Nachmittag umsonst im Wald! Und wissen Sie was, Doc? Die ganze gottverdammte Zeit über wurden wir beobachtet! Das Areal wird überwacht. Bloß gut, daß sich keiner von uns in die Büsche geschlagen hat, um zu pinkeln, was?«
»Haben Sie schon mit Wesley gesprochen?«
»Fällt mir nicht im Traum ein! Der kann mir gestohlen bleiben!« Er knallte den Hörer auf.
9
Das Globe and Laurel hatte etwas Tröstliches für mich. Der schlichte, schnörkellose Ziegelbau beherbergte ein Restaurant der besonderen Art. Er stand in Triangle - nahe der Marinebasis. Auf dem Grasstreifen vor dem Haus war niemals auch nur ein Hälmchen Unkraut zu sehen, die Komellkirschen waren sorgfältig gestutzt, und auf dem gepflegten Parkplatz stand jeder Wagen innerhalb der vorgesehenen Markierung.
»SemperFidelis« stand über der Tür, und beim Eintreten empfing einen die »Creme« der Immertreuen: Polizeichefs, Viersternegeneräle, Verteidigungsminister, Directors von FBI und CIA - die Fotografien waren mir so vertraut, daß mir die streng lächelnden Männer darauf wie alte Freunde erschienen. Major Jim Yancey, dessen bronzierte Kampfstiefel aus dem Vietnamkrieg gegenüber der Bar auf dem Klavier standen, kam über den rot-weiß karierten Schottenteppich auf mich zu, um mich zu begrüßen. Er schüttelte mir freudig die Hand.
»Ich hatte schon befürchtet, das Essen habe Ihnen letztesmal nicht geschmeckt, weil Sie so lange nicht hier waren.«
Der Rollkragenpullover und die Cordhose konnten nicht über den ursprünglichen Beruf des Majors hinwegtäuschen: Er war so militärisch wie eine Uniformmütze, hielt sich kerzengerade, an seinem Körper saß kein Gramm überflüssigen Fettes, das weiße Haar war rasenkurz geschoren. Obwohl er schon im Pensionsalter war, wirkte er, als könne er jederzeit wieder ins Feld ziehen, und ich konnte mir gut vorstellen, wie er mit einem Jeep über unwegsames Gelände holperte oder im Dschungel Bohnen aus einer Büchse löffelte, während der Monsunregen auf ihn herunterprasselte.
»Ich habe bei Ihnen noch nie schlecht gegessen - das wissen Sie genau«, antwortete ich herzlich.
»Sie wollen sicher zu Benton«, sagte er. »Er sitzt im Fuchsbau hinten.«
»Danke, Jim - ich kenne den Weg. Es ist schön, Sie wiederzusehen.«
Er zwinkerte mir zu und kehrte an die Bar zurück. Mark hatte mich in Major Yanceys Restaurant mitgenommen - damals, als ich jedes zweite Wochenende nach Quantico fuhr, um ihn zu besuchen. Auf dem Weg durch den Speiseraum, dessen Decke mit Polizeimarken verziert war und an dessen Wänden in Vitrinen
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