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Das fünfte Zeichen

Titel: Das fünfte Zeichen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Nesbø
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Hund. Ein Mann. Seine Augen waren groß und dunkel, wie die des Hundes. Ihr war, als hätte ihr jemand ein kleines Tier in den Hals gestopft. Olaug stockte der Atem.
    » Wir waren drinnen, aber Sie waren nicht da «, sagte der Mann und betrachtete sie mit geneigtem Kopf, wie man ein interessa n tes Insekt studiert. » Sie wissen nicht, wer ich bin, Frau Sivertsen, aber ich wollte Sie schon lange kennen lernen. «
    Olaug öffnete den Mund und schloss ihn wieder.
    Der Mann kam näher.
    Olaug blickte über seine Schulter. » Mein Gott «, flüsterte sie und breitete die Arme aus.
    Sie kam die Treppe herunter und lief lachend über den Kies in Olaugs Arme.
    » Ich habe mir solche Sorgen um dich gemacht «, sagte Olaug.
    » Oh? « Ina klang überrascht. » Wir sind doch bloß ein bisschen länger als geplant auf der Hütte geblieben. Es sind doch Ferien, weißt du? «
    » Ja doch «, sagte Olaug und drückte sie fest.
    Der Hund, ein englischer Setter, sprang hoch, von der Wiede r sehensfreude angesteckt, und stemmte seine Pfoten gegen Olaugs Rücken.
    » Thea! «, befahl der Mann » Sitz. «
    Thea saß.
    » Und der? «, fragte Olaug und ließ Ina endlich los.
    » Das ist Terje Rya. « Inas Gesicht glühte in der Dämmerung. » Mein Verlobter. «
    » Großer Gott «, sagte Olaug und klatschte in die Hände.
    Der Mann reichte ihr die Hand und lächelte breit. Er war keine Schönheit. Himmelfahrtsnase, strähnige Haare und eng stehende Augen. Doch er hatte einen offenen, direkten Blick, der Olaug gefiel.
    » Freut mich sehr «, sagte er.
    » Mich auch «, sagte Olaug und hoffte, dass die Dunkelheit ihre Tränen verbarg.
     
    T oya Harang bemerkte den Geruch erst, als sie weit oben in der Josefines Gate waren. Misstrauisch musterte sie den Taxifahrer. Er war dunkelhäutig, aber sicher kein Afrikaner, denn dann hätte sie es nicht gewagt, sich in den Wagen zu setzen. Nicht weil sie rassistisch war. Das war nur angewandte Prozentrechnung.
    Was war das bloß für ein Gestank?
    Sie bemerkte den Blick des Fahrers im Rückspiegel. Hatte sie sich zu gewagt angezogen, war der rote Ausschnitt zu tief, der geschlitzte Rock über den Cowboystiefeln zu kurz? Dann konzentrierte sie sich auf etwas anderes, etwas deutlich Ang e nehmeres. Vielleicht erkannte er sie wieder. Aus der Zeitung, in der heute große Fotos von ihr abgedruckt waren. » Toya Harang –Die Erbin des Musicalthrons « hatte dort gestanden. Zwar hatte der Kritiker des Dagbladet sie als » in ihrer etwas unbeholfenen Art höchst charmant « bezeichnet und weiter ausgeführt, sie sei in der Rolle der Blumenverkäuferin Eliza deutlich glaubwürd i ger gewesen als in der Rolle der Dame von Welt, in die Professor Higgins si e s chließlich verwandelt hatte. Doch die Kritiker waren sich einig gewesen, dass sie es in Sachen Gesang und Tanz mit jedem aufnehmen konnte. Na also. Was Lisbeth wohl dazu gesagt hätte?
    » Geht ’ s auf ein Fest? «, fragte der Fahrer.
    » Gewissermaßen «, sagte Toya und dachte: ein Fest für zwei. Ein Fest für Aphrodite und … was hatte er noch mal gesagt? Wie lautete der andere Name? Na ja, mit Aphrodite war auf jeden Fall sie gemeint gewesen. Er war gestern Abend während der Premierenfeier zu ihr gekommen und hatte ihr ins Ohr geflüstert, er sei ihr heimlicher Bewunderer. Und hatte sie für heute Abend zu sich nach Hause eingeladen. Er hatte mit seinen Absichten nicht hinter dem Berg gehalten, und sie hätte nein sagen sollen. Der Anstand hätte geboten, nein zu sagen.
    » Es wird sicher schön «, sagte der Fahrer.
    Anstand. Und Neinsagen. Sie hatte noch immer den Gestank des Silos und den Geruch des Heus in der Nase. Sah Vaters Gürtel im Lichtschein pendeln, der durch die Ritzen zwischen den Dielen des Scheunenbodens hereinfiel, wenn er versucht hatte, es ihr einzuprügeln. Anstand und Neinsagen. Sie spürte noch die Hand ihrer Mutter, die ihr übers Haar strich. Hörte sie in der Küche, wenn alles vorbei war, fragen: Warum kannst du nur nicht so sein wie Lisbeth? Lieb und nett. Dann eines Tages hatte Toya sich losgerissen und gewütet, dass sie eben so sei. Und dass sie das wohl von Vater habe. Schließlich habe sie gesehen, wie der es mit Lisbeth drüben in der Scheune getrieben habe wie ein Schwein. Und darüber wisse doch wohl auch Mutter Bescheid.
    Toya war nicht entgangen, wie sich der Gesichtsausdruck ihrer Mutter verändert hatte. Nicht weil ihre Mutter gedacht hätte, dass das eine Lüge war, sondern weil ihre Tochter kein Mittel

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