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Das fünfte Zeichen

Titel: Das fünfte Zeichen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Nesbø
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Ich komme wieder «, flüsterte er. » Das verspreche ich dir. Und du weißt, dass ich meine Versprechen halte. «
    » Was ist …? «, begann Holm und trat rasch zur Seite, als Tom Waaler durch die Türöffnung an ihm vorbeistürzte.

 
    KAPITEL 40
Montag. Regen
    E s war halb acht, die Sonne sank hinter Ullernåsen, und auf ihrer Veranda in der Thomas Heftyes Gate stellte Witwe Daniel sen fest, dass immer mehr weiße Wolken über den Oslofjord heranzogen. Auf der Straße unter ihr gingen André Clausen und Truls vorbei. Sie kannte weder den Mann noch seinen Golden Retriever mit Namen, hatte sie aber schon oft aus dem Gebä u dekomplex an der Gimle Terrasse kommen sehen. Sie blieben an der roten Ampel neben dem Taxistand an der Bygdøy Allee stehen. Die Witwe überlegte, dass sie sicher in den Frognerpark wollten.
    Die sahen beide ganz schön mitgenommen aus, dachte sie. Außerdem hätte der Hund mal wieder ein Bad nötig gehabt.
    Sie rümpfte die Nase, als der Hund einen halben Schritt hinter seinem Besitzer die Hüftpartie absenkte und einen Haufen auf der Straße zurückließ. Dass der Hundehalter keine Anstalten machte, die Hinterlassenschaft wegzuräumen, sondern im Ge genteil den Hund bei Grün einfach über die Straße zog, machte die Witwe wütend und stachelte sie an. Wütend, weil sie sich von jeher für das Wohl der Stadt einsetzte. Nun ja, ihres Stadtteils jedenfalls. Und es stachelte sie an, weil sie jetzt wieder Stoff für einen Leserbrief an die Aftenposten hatte, die sie schon eine ganze Weile lang nicht mehr mit Post bedacht hatte.
    Sie blieb stehen und starrte auf den Tatort hinunter, während Hund und Besitzer sich schnell und offensichtlich schuldb e wusst über den Frognervei verdrückten. So musst e s ie tatenlos zusehen, wie eine Frau, die eilig aus der entgegengesetzten Richtung bei Grün über die Straße lief, Opfer des absolut fehlenden Verantwortungsgefühls eines einzelnen Bürgers wur de. Die Frau war anscheinend so damit beschäftigt, das letzte Taxi am Stand zu erwischen, dass sie nicht einmal bemerkte, in was sie da getreten war.
    Witwe Danielsen schnaubte laut, warf einen letzten Blick auf das anrückende Wolkenheer und begab sich in ihre Wohnung, um den Leserbrief aufzusetzen.
     
    E in Zug huschte vorbei wie ein langer, weicher Atem. Olaug öffnete die Augen und wurde sich bewusst, dass sie im Garten stand.
    Merkwürdig. Sie konnte sich nicht daran erinnern, aus dem Haus gegangen zu sein. Aber da stand sie zwischen den Eise n bahngleisen, den süßlichen Duft der späten Rosen und Flieder büsche in der Nase. Der Druck auf ihre Schläfen hatte sich nicht verringert, ganz im Gegenteil. Sie blickte auf. Der Himmel hatte sich zugezogen, deshalb war es so dunkel. Olaug blickte auf ihre nackten Füße. Weiße Haut, blaue Adern, die Füße eines alten Menschen. Sie wusste, warum sie sich genau hierhin gestellt hatte. Hier hatten sie gestanden –genau hier. Ernst und Randi. Sie selbst war am Fenster des Mädchenzimmers gewesen und hatte die zwei dort unten im Halbdunkel bei den längst ve r schwundenen Rhododendronbüschen beobachtet. Die Sonne war langsam untergegangen, und er hatte leise etwas auf Deutsch gemurmelt, eine Rose gepflückt und sie seiner Frau hinters Ohr gesteckt. Diese hatte gelacht und ihre Nase an seinen Hals gedrückt. Dann hatten sie sich nach Westen gedreht und sich still umarmt. Randi hatte den Kopf gegen die Schulter ihres Mannes gelehnt, während sie alle drei den Sonnenuntergang betrachtet hatten. Und Olaug wusste nicht, was ihnen durch den Kopf ging, doch bei sich hatte sie gedacht, dass die Sonne vielleicht eines Tages wieder aufgehen würde.
    So jung.
    Unwillkürlich blickte Olaug zum Fenster des Mädchenzi m mers. Keine Ina, keine junge Olaug, nur eine schwarze Fläche, in der sich Popcornwolken spiegelten.
    Sie hätte weinen mögen, bis zum Ende des Sommers. Vie l leicht noch länger. Und dann sollte der Rest des Lebens beginnen, wie er es immer getan hatte. Das war der Plan. Man brauchte einen Plan.
    Etwas bewegte sich hinter ihr. Olaug wandte sich langsam und schwerfällig um. Spürte, wie sich das kühle Gras vom Erdboden löste, als sie sich auf den Fußspitzen drehte. Dann erstarrte sie mitten in der Bewegung.
    Es war ein Hund.
    Er sah mit einem Blick zu ihr auf, als wollte er sie um En t schuldigung bitten für etwas, das noch nicht geschehen war. Im gleichen Moment glitt er nahezu lautlos aus dem Schatten der Obstbäume und stellte sich neben den

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