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Das fünfte Zeichen

Titel: Das fünfte Zeichen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Nesbø
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vergessen. Er klickte sich in den Systemordner und löschte den Hintergrund. Das war ein Anfang.
    Die Reportage über einen Heroinabhängigen, an der er eigen t lich recherchierte, hatte er weglegen müssen. Gut. Er hasste es, über Drogen zu schreiben. Devi hatte behauptet, Thomas sei der Grund dafür.
    Roger versuchte, sowohl Devi als auch seinen kleinen Bruder aus dem Kopf zu kriegen und sich auf den Fall zu kon zentrieren, über den er schreiben sollte: ein Bericht über den Mord im Ullevålsvei. Eine Zusammenfassung der bisherigen Erkenntni s se. Mehr konnte er nicht tun, bis sich die weitere Entwicklung abzeichnete und neue Spuren oder ein Verdächtiger gefunden wurden. Ein leichter Job, da der Fall alle Zutaten hatte, die ein Redakteur sich wünschen konnte. Eine junge, allein stehende Frau, achtundzwanzig Jahre alt, die am helllichten Tag in der Dusche ihrer eigenen Wohnung erschossen wird. Die Pistole, die im Mülleimer unter ihrer Spüle gefunden wird, erweist sich als Tatwaffe. Keiner der Nachbarn hat an diesem Freitag etwas gesehen, kein Fremder ist im Haus beobachtet worden, und nur einer der Nachbarn glaubt, etwas wie einen Schuss gehört zu haben. Da es keine Anzeichen für einen Einbruch gibt, geht die Polizei davon aus, dass Camilla Loen selbst den Täter in die Wohnung gelassen hat. Doch niemand in ihrem Bekanntenkreis wirkt verdächtig. Überdies haben alle mehr oder weniger gute Alibis. Die Tatsache, dass Camilla Loen, nachdem sie um Viertel nach vier ihren Arbeitsplatz als Grafikdesignerin bei Leo Burnett verlassen hat, um sechs Uhr noch eine Verabredung mit zwei Freundinnen auf der Terrasse des Kunstnernes Hus hatte, deutet darauf hin, dass sie keinen Besuch erwartete. Ebenso unwahrscheinlich ist es, dass jemand einfach bei ihr geklingelt und sich heimlich ins Haus geschlichen hat, denn sie hätte jeden über die Videokamera bei den Klingelknöpfen sehen müssen.
    Man hatte bereits Schlagzeilen wie » Psycho-Mord « oder » Nachbarn schmecken Blut « lesen können. Dann waren zwei weitere Details an die Öffentlichkeit gedrungen und hatten die Sache an den beiden folgenden Tagen auf die Titelseiten gebracht: Camilla Loens linker Zeigefinger war abgetrennt worden. Und: Unter einem ihrer Augenlider wurde ein rötlicher Diamant in Form eines fünfzackigen Sterns gefunden.
    Roger Gjendem begann seinen Überblick im historischen Präsens, um der Darstellung Dramatik zu verleihen. Doc h i hm wurde klar, dass der Fall das nicht brauchte. Er löschte bis auf die Einleitung alles, was er geschrieben hatte, blieb einen Moment mit dem Kopf in den Händen sitzen. Dann klickte er zweimal den Papierkorb auf seinem Bildschirm an, zögerte aber mit dem Mausklick für » Papierkorb leeren «. Schließlich war das einzige Bild darin, das er von ihr hatte. In der Wohnung waren alle Spuren beseitigt, er hatte sogar den Pullover gewaschen, den sie sich immer ausgeliehen und den er so gerne getragen hatte, weil er nach ihr roch.
    » Leb wohl «, sagte er und klickte.
    Er las noch einmal die Einleitung und entschloss sich, das Wort Ullevålsvei durch » Vår Frelsers Friedhof « zu ersetzen, das klang besser. Dann begann er zu schreiben. Und dieses Mal passte alles.
     
    O bwohl die Sonne noch immer von einem wolkenlosen Himmel brannte, begannen die Menschen gegen sieben Uhr widerwillig von den Stränden aufzubrechen. Es wurde acht, dann neun, und Leute mit Sonnenbrillen tranken Bier, während die Kellner der Lokale ohne Straßenausschank die Däumchen drehten. Es wurde halb zehn, die Landspitze am Ullernåsen verfärbte sich rot, und kurz darauf ging die Sonne unter. Doch die Temperaturen sanken nicht. Eine weitere tropisch warme Nacht stand bevor, und die Menschen kamen aus den Restaurants und Bars zurück nach Hause, lagen schwitzend und schlaflos in ihren Betten.
    In der Akersgata rückte die Deadline näher. Die Redakteure setzten sich ein letztes Mal zusammen, um die Titelseite festzulegen. Von der Polizei hatte man nichts Neues erfahren. Kaum vier Tage nach dem Mord gab es keine neuen Erkenntni s se. Das Schweigen bot allerdings Raum für Spekulationen. Es war an der Zeit, kreativ zu werden.
     
    U ngefähr um diese Zeit klingelte in Oppsal das Telefon in einem gelben Holzhaus mit Apfelgarten. Beate Lønn streckt e d ie Hand unter der Decke hervor und fragte sich, ob ihre unter ihr wohnende Mutter vom Klingeln geweckt worden war. Vermu t lich.
    » Hast du schon geschlafen? «, fragte eine heisere Stimme.
    »

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