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Das fünfte Zeichen

Titel: Das fünfte Zeichen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Nesbø
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Onkel in längst vergessenen Massengräbern lagen.
    » Hör zu «, hatte sein Vater gesagt, » wie sinnlos schön sie singen. «
    Ein Räuspern unterbrach Nikolaj in seinen Gedanken. Er drehte sich um.
    In der Tür stand ein großer Mann in T-Shirt und Jeans. Er hatte eine Bandage an einer Hand. Das Erste, was Nikolaj dachte, war, dass es einer der Drogenabhängigen sei, die hin und wieder dort auftauchten.
    » Kann ich Ihnen helfen? «, rief er. Die Akustik des Raumes ließ seine Stimme weniger freundlich klingen als beabsichtigt.
    Der Mann kam herein. » Das hoffe ich «, sagte er. » Ich bin hier, um etwas wieder gutzumachen. «
    » Das freut mich «, sagte Nikolaj. » Aber ich nehme hier keine Beichte ab. Im Flur hängt eine Liste mit den Beichtterminen. Und dann müssen Sie in unsere Kapelle in der Inkognitogata kommen. «
    Der Mann war jetzt an ihn herangetreten. Den schwarzen Ringen unter seinen blutunterlaufenen Augen entnahm Nikolaj, dass er eine ganze Weile nicht geschlafen hatte.
    » Ich will wieder gutmachen, dass ich den Stern in der Tür kaputtgemacht habe. «
    Es vergingen einige Sekunden, bis Nikolaj begriff, was der Mann meinte. » Ah, jetzt weiß ich … Das ist nicht meine Sache. Abgesehen davon, dass sich der Stern gelöst hat und jetzt falsch herum hängt. « Er lächelte. » Etwas unpassend für ein Haus Gottes. «
    » Sie arbeiten also nicht hier? «
    Nikolaj schüttelte den Kopf. » Wir dürfen diesen Raum bloß hin und wieder nutzen. Ich gehöre der Apostolischen Gemeinde der Heiligen Fürstin Olga an. «
    Der Mann runzelte die Stirn.
    » Der russisch-orthodoxen Kirche «, fügte Nikolaj hinzu. » Ich bin Priester und Vorsitzender der Gemeinde. Sie sollten zum Kirchenbüro gehen. Vielleicht ist dort jemand, der Ihnen helfen kann. «
    » Hmm, danke. «
    Der Mann blieb stehen.
    » Tschaikowsky, nicht wahr? Erstes Klavierkonzert? «
    » Stimmt «, sagte Nikolaj überrascht. Die Norweger waren nicht gerade das, was man ein gebildetes Volk nannte. Und dabei trug der Mann ein simples T-Shirt und sah aus wie ein Penner.
    » Meine Mutter hat das immer für mich gespielt «, erzählte der Mann. » Sie sagte, es sei schwer. «
    » Dann haben Sie eine nette Mutter. Wenn sie Ihnen Stücke vorspielt, die sie schwer findet. «
    » Ja, sie war nett, fast eine Heilige. «
    Etwas an dem schiefen Lächeln des Mannes verwirrte Nikolaj. Es war ein in sich widersprüchliches Lächeln. Offen und geschlossen, freundlich und zynisch, lachend und voller Schmerz. Doch wie gewöhnlich interpretierte er wohl zu viel hinein.
    » Danke für Ihre Hilfe «, sagte der Mann und strebte der Tür zu.
    » Keine Ursache. «
    Nikolaj drehte sich zum Klavier und sammelte sich. Er schlug vorsichtig eine Taste an, so dass sie weich und lautlos nachgab, und er spürte, wie der Filz gegen die Klaviersaite prallte. Da fiel ihm auf, dass er die Tür nicht hatte ins Schloss fallen hören. Er drehte sich um. Der Mann stand noch im Eingang. Die Hand auf der Klinke, starrte er auf den Stern in dem zerbrochenen Türfenster.
    » Stimmt etwas nicht? «
    Der Mann blickte auf. » Doch, doch, aber was meinten Sie damit, es sei unpassend, dass der Stern falsch herum hängt? «
    Nikolaj lachte auf. Das Lachen hallte im Raum nach. » Das umgekehrte Pentagramm, wissen Sie? «
    Der fragende Blick des Mannes ließ für Nikolaj keinen Zwe i fel, dass er nicht verstand.
    » Das Pentagramm ist ein altes religiöses Symbol, nicht nur im Christentum. Es ist, wie Sie sehen können, ein fünfzackiger Stern, der aus einer einzigen Linie entsteht, die sich selbst mehrmals kreuzt, ähnlich wie der Davidstern. Man hat dieses Zeichen auf Grabsteinen gefunden, die mehrere Tausend Jahre alt sind. Aber wenn es falsch herum hängt, mit einer Spitze nach unten und zweien nach oben, ist das etwas ganz anderes. Dann ist es eines der zentralsten Zeichen der Dämonologie. «
    » Dämonologie? «
    Der Mann fragte mit ruhiger, fester Stimme. Wie einer, der gewohnt ist, Antworten zu bekommen, dachte Nikolaj und erklärte bereitwillig weiter. » Die Lehre vom Bösen. Da s W ort stammt aus einer Zeit, in der man glaubte, das Böse entstehe durch die Existenz von Dämonen. «
    » Hmm. Und jetzt sind die Dämonen abgeschafft? «
    Nikolaj drehte sich auf dem Klavierhocker ganz herum. Hatte er sich in dem Mann geirrt? Er schien zu aufgeweckt, um ein Drogenabhängiger oder Penner zu sein.
    » Ich bin Polizist «, beantwortete der Mann seinen Gedanken. » Wir sind es gewohnt, Fragen

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