Das fünfte Zeichen
Kameras und einen elfjährigen Sohn mit einer Frau, die an einem feuc h ten Herbstabend in Geilo in seinem Aufnahmebus übernachtet hatte. Wenigstens hatte er sie dazu bewegen können, ihren Sohn Gene zu nennen. Trotzdem konnte er, ohne rot zu werden, behaupten, dass er zu seinen Mikrofonen das engere Verhältnis hatte. Schließlich umfasste seine Sammlung eine Reihe Ne u mannscher Röhrenmikrofone aus den Fünfzigern und Offscreen-Richtmikrofone. Die Letzteren waren Spezialanfertigungen für Militärkameras, die man früher nur unter der Hand in Amerika hatte kaufen können, die er sich jetzt aber problemlos über das Internet bestellen konnte. Der Stolz seiner Sammlung waren jedoch drei russische Spionagemikrofone, nicht größer als ein Stecknadelkopf. No-Name-Produkte. Er hatte sie in Wien auf einer Messe erstanden. Außerdem war Harry Lyd Besitzer eines der beiden einzigen professionellen, mobilen Überwachungsw a gen in ganz Norwegen. Daher wurde er in unregelmäßigen Abständen von der Polizei und auch vom Sicherheitsdienst kontaktiert. Es wäre ihm recht gewesen, hätten diese Kontakte ihn häufiger beansprucht. Er war es leid, in irgendwelchen 7-Eleven-Märkten oder Videotheken Überwachungskameras zu montieren oder Leuten Kurse zu geben, die keinen Sinn für die spannende Seite des Observierens nichts ahnender Leute hatten. Da war es leichter, bei der Polizei oder der Landesverteidigung Gesinnungsgenossen zu finden. Allerdings kostete Harry Lyds Qualitätsausrüstun g e ine Stange Geld, und Otto hatte den Eindruck, immer häufiger von Budgetkürzungen betroffen zu sein. Es sei billiger, sich in einem Haus oder in einer Wohnung in der Nachbarschaft mit ihrem eigenen Zeug einzunisten, hieß es, und natürlich hatten sie Recht. Doch manchmal gab es kein Haus in angemessener Nähe, oder der Auftrag verlangte eine qualitativ hochwertige Ausrüstung. Dann klingelte schon mal bei Harry Lyd das Telefon. Wie jetzt.
Otto lauschte. Es hörte sich nach einem lukrativen Auftrag an. Da es offensichtlich reichlich Wohnungen in Objektnähe gab, mussten sie wohl auf der Jagd nach einem kapitalen Fisch sein. Gerade jetzt wusste er allerdings nur von einem Hecht im Teich.
» Geht es um den Fahrradkuriermörder? «, fragte er und richtete sich vorsichtig im Bett auf, damit dieses nicht unter ihm in die Knie ging. Er hätte es längst gegen ein neues auswechseln sollen. Verschob er die Angelegenheit wirklich nur aus ökon o mischen Erwägungen? Oder aus Sentimentalität? Egal, wenn dieses Gespräch hielt, was es bis jetzt versprach, würde er sich bald ein richtig breites, solide gebautes Bett leisten können. Möglicherweise sogar ein rundes. Und vielleicht einen neuen Versuch bei Aud Rita unternehmen. Nils wog inzwischen einhundertdreißig und sah immer unappetitlicher aus.
» Es eilt «, sagte Waaler, ohne auf seine Frage einzugehen –was Otto als Antwort reichte. » Ich brauche alles noch heute Nacht. «
Otto lachte laut. » Sie wollen das gesamte Treppenhaus, den Fahrstuhl und sämtliche Flure eines vierstöckigen Hauses mit Bild und Ton die ganze Nacht lang überwacht haben? Sorry, Kamerad, das geht nicht. «
» Die Sache hat absolute Priorität, wir haben alles … «
» G-e-h-t n-i-c-h-t. Verstanden? « Allein der Gedanke amüsierte Otto dermaßen, dass das Bett gefährlich schwankte.
» Wenn es eilt, können wir es über das Wochenende in Angriff nehmen, Waaler. Bis Montagmorgen ist es zu schaffen. «
» Verstehe «, sagte Waaler. » Entschuldigen Sie meine Naiv i tät. «
Wäre Otto ebenso gut darin gewesen, Stimmen zu interpreti e ren, wie sie aufzunehmen, er hätte Waalers Tonfall entnommen, dass seine Buchstabiererei beim Hauptkommissar nicht den gewünschten Effekt erzielt hatte. Doch im Moment war Otto eher daran gelegen, Tempo rauszunehmen und im Gegenzug den Stundenaufwand groß zu reden.
» Gut, jetzt sind wir auf einer Wellenlänge «, sagte Otto und suchte unter dem Bett nach seinen Socken, doch dort waren nur Wollmäuse und leere Bierdosen. » Ich muss einen Abendz u schlag berechnen. Und natürlich ’ nen Wochenendzuschlag. «
Bier, vielleicht sollte er eine Kiste kaufen und Aud Rita einl a den, um den neuen Auftrag zu feiern? Oder –wenn sie nicht konnte –Nils.
» Und einen kleinen Vorschuss auf Ausrüstung, die ich mir selbst ausleihen muss, ich hab das ja nicht alles hier parat. «
» Nein «, sagte Waaler. » Das alles liegt vermutlich in der Scheune von Stein Astrup in Asker.
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