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Das fuenfunddreißigste Jahr

Titel: Das fuenfunddreißigste Jahr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Truschner
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ich ruhig sitzen, lächelte Sabine an und vertraute darauf, dass sich alles Weitere von selbst ergab.
     
    Das Lokal war voll. Wir hatten Glück, dass ein Paar im selben Moment von seinem Tisch aufstand, in dem wir eintraten. Man saß eng beieinander, konnte jedoch nicht verstehen, was am Nachbartisch gesprochen wurde. Das Gemisch aus Stimmen und lauter Musik wirkte wie ein Filter und verhinderte, dass über den Tisch hinausdrang, was nicht für fremde Ohren gedacht war. Sicher ein Grund dafür, warum Sabine nach kurzem Zögern mit meiner Wahl des Lokals einverstanden war.
    Ich konnte der Versuchung nicht widerstehen, sie ein wenig zu triezen. »Ich dachte, du wolltest nicht unter Leute gehen?«
    Sabine sah mich weder strafend an, noch zog sie ihre Hand weg, sondern ergriff sie, dass unsere Finger sich abwechselnd aneinanderreihten wie die schwarzen und weißen Tasten eines Klaviers.
    »Was bist du denn so befangen?«, fragte sie. Sie wirkte gefestigter als im Auto. Sie hatte sich offensichtlich vorgenommen, die Sache abzuhaken – was blieb ihr auch anderes übrig? »Shit happens. Davon geht die Welt nicht unter.«
    Wir hatten das Bier und den Wein noch nicht angerührt, als sie zwei Tequila bestellte. »Das muss jetzt sein«, sagte sie und kippte den Tequila hinunter, als wäre er ein Reinigungsmittel, das über ihren Schlund seinen Weg nicht etwa in ihren Magen, sondern in ihre Seele fand.
    Es stellte sich schließlich heraus, dass ein Mann, den sie über eine Singlebörse kennengelernt hatte, sie zum Ausklang eines gemeinsam verbrachten Abends auf der Tankstelle sitzenlassen hatte. Er gab vor, tanken zu müssen, obwohl der Tank halbvoll war. Als er bezahlt hatte und wieder im Auto saß, fiel ihm plötzlich ein, dass er vergessen hatte, Zigaretten zu kaufen, und Sabine bot an, welche zu holen. »Gauloises«, sagte sie. Als sie zurückkam, hatte er sich aus dem Staub gemacht.
    »Singlebörse«, sagte ich und rollte die Augen, genervt von Sabines Unbelehrbarkeit, mehr aber noch vom Ausmaß der Banalität und der Wiederkehr des Immergleichen, die das Leben einem zumutete. »Natürlich. Was sonst?«, setzte ich nach.
    »Es hat sich gut angefühlt, diesmal.«
    Allein das Wort »angefühlt« in diesem Zusammenhang ödete mich an. Mein Mitgefühl schwand, aber zum Glück war es nicht Sabines Art, sich ausgiebig als Opfer darzustellen.
    »Wir haben vorher ausgiebig gechattet. Die Telefongespräche dauerten manchmal zwei Stunden. Er war sehr nett. Kein Typ, der gleich mit der Tür ins Haus fällt. Oder der dich zulabert und dir erzählt, wie schlecht seine Ex ihn behandelt hat.«
    »Gechattet und telefoniert.« Ich schnaubte. »Zwei Stunden lang! Kein Mann macht so was gerne. Glaub mir: Das macht nur einer, der sich verstellt und dich auf die raffinierte Tour rumkriegen will.«
    Sie sah mich verständnislos an. Die Falte zwischen ihren Augenbrauen furchte sich. »Was redest du da? Das ergibt überhaupt keinen Sinn. Wenn er was von mir gewollt hätte, hätte er mich wohl nicht auf der Tankstelle zurückgelassen, oder?« Sie leerte ihr Glas Wein, dass man Angst haben musste, sie würde beim Trinken aus Versehen ins Glas beißen. »Außerdem war das nicht unser erstes Date. Oder glaubst du, ich steig zu einem Wildfremden ins Auto? Den schau ich mir vorher schon genauer an.« Sie blickte sich fahrig nach der Kellnerin um, sie brauchte jetzt mehr Alkohol. »Und die ersten beiden Treffen waren wirklich nett«, sagte sie mit abgewandtem Gesicht, während sie die Kellnerin an unseren Tisch winkte. Man konnte ihrem Körper ablesen, wie das Gespräch sie aufwühlte und die Uhr um ein, zwei Stunden zurückdrehte.
    Mir war aufgefallen, dass die Tankstelle in einem entlegenen Winkel der Stadt lag, nicht weit von der Autobahnauffahrt entfernt. Auch dass Sabines Aufmachung nicht gerade zurückhaltend war. Die Botschaft ihrer Kleidung und ihrer Schminke an diesem Abend lautete: Schau mich an! Begehr mich! Wenn der Mann, mit dem sie verabredet war, Sabine nun so sitzenließ, bedeutete das auch, dass er ihr Angebot nicht verlockend fand und sie gewissermaßen von der Bettkante stieß.
    »War er denn weiter in der Singlebörse aktiv?«
    »Ja«, sagte sie. »Ich auch. Wieso auch nicht? Wenn man ein-, zweimal was trinken geht, ist das ja noch nichts Verbindliches.«
    »Ich weiß nicht. Jemand kennenzulernen, dazu braucht es Lockerheit, aber auch Konzentration. Wenn ich mich da gleichzeitig noch anderweitig umschaue … Vielleicht hat er vor

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