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Das fuenfunddreißigste Jahr

Titel: Das fuenfunddreißigste Jahr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Truschner
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oder nicht.
    Leider hatte sie lange Zeit die unangenehme Eigenschaft, über einen Freund zu verfügen, mit dem sie auf den Gängen des Instituts herumschmuste und Händchen hielt, was ihm augenscheinlich jedoch zunehmend lästig wurde. Irgendwann erschien sie auf einem Institutsfest ohne ihn – ein Anblick, der so ungewohnt war, dass man meinen konnte, sie hätte sich ihre Haare, die weit über die Schulterblätter hinabreichten, über Nacht abschneiden lassen. Sie ließ sich von mir auf ein Bier einladen und erzählte mir, dass sie ihren Freund mit einer anderen erwischt und daraufhin sofort mit ihm Schluss gemacht hatte. Ihre Stimme bebte vor Wut. Ich wusste nicht, was ich sagen sollte, und dachte, dass das wohl kein geeigneter Augenblick war, um einander näherzukommen. Trinken war auch in diesem Fall das geeignete Mittel, die Fremdheit zu überwinden und eine Vertrautheit herzustellen, die es gar nicht gab und die es so auch nicht mehr geben würde, wenn die Wirkung des Alkohols verflogen war. Irgendwann bemerkte Sabine, sie hätte mein Büro noch nie von innen gesehen. Ich dachte mir zuerst nichts dabei – auch, weil ich noch keine Ahnung davon hatte, dass manche Frauen sich, nachdem sie betrogen worden waren, kurzfristig mit einem anderen schadlos hielten, um sich abzureagieren, zu trösten oder um Gleiches mit Gleichem zu vergelten (was natürlich idiotisch ist, wie so vieles andere in diesen Dingen, jedoch zumindest für den Augenblick eine gewisse Befriedigung verschaffen kann).
    Mein Büro war ein kahler Raum, in dem sich auf dürren Metallregalen, die sich unter ihrer Last verzogen hatten, Akten und Bücher stapelten. Für den Staub, der die Luft in etwas Greifbares verwandelte, waren mein Schreibtisch und ich selbst nichts als ein Ablageplatz.
    In dem Augenblick, als Sabine auf meinen Schreibtisch zuging, war das Schäbige meiner Arbeitsstätte bedeutungslos. Mir war schlagartig klar, dass sie nicht das geringste Interesse an meinem Büro hatte, ich war mir noch nicht einmal sicher, ob sie wirklich Interesse an mir hatte, was mich aber nicht weiter störte, da es mir genauso ging. Es ist erstaunlich, wie viele Splitter hemmungsloser Klarheit in der zugleich unförmigen und beweglichen Masse des sexuellen Begehrens stecken. Wie zielgerichtet und doch planlos das alles ist! Ich hatte es schon einmal mit einem Mädchen in meinem Büro gemacht. Es war für uns beide ein reiner, von keinem komplexeren Gefühl belasteter Genuss gewesen. Bei Sabine fühlte es sich anders an, ich merkte, dass ich sie gernhatte, obwohl ich sie gar nicht richtig kannte, was es einerseits intensiver, aber auch problematischer machte. Gleich zu Beginn tat ich etwas, das sich im Nachhinein als schwerer Fehler herausstellte: Ich knipste die Schreibtischlampe an, knipste sie jedoch nicht wieder aus, als wir uns zu küssen und zu streicheln begannen. Ich brauchte nichts zu tun, ja ich hatte sogar das Gefühl, ich durfte gar nicht. Sabine war auf eine zornige Art hungrig. Gleichzeitig war sie voller Trauer und Überdruss, und ich spürte: In diesem Moment hätte ich ein mehr oder weniger x-beliebiger Körper sein können, an dem sie sich austobte. Ich war von der Situation ein wenig überfordert. Es wirkte ein bisschen so, als würde sie ferngesteuert oder erhielte Befehle über einen Knopf im Ohr (vielleicht hatte sie mit ihrem Freund aber auch nur ein paar Pornos gesehen). Sie fuhr mir mit der einen Hand unters T-Shirt, mit der anderen löste sie meinen Gürtel, knöpfte meine Jeans auf und hielt wenig später meinen halbsteifen Schwanz in der Hand. Ich hatte sie nicht mehr angesehen, seit wir angefangen hatten, uns zu küssen. Und vielleicht wäre alles gut ausgegangen, hätte ich im matten Schein der Lampe nicht den nassen Glanz auf ihren tränenfeuchten Wangen gesehen, der bewirkte, dass auch der letzte Funken Lust in mir erlosch. Dass Sabine mich aufforderte, sie zu nehmen, machte das Elend noch größer. Wenn wir nun kein Ende fanden, das beiden gestattete, ihr Gesicht zu wahren, blieb hinterher nichts als Peinlichkeit, wenn nicht gar Abscheu füreinander.
    Ich wollte sie streicheln. Sie stieß mich weg und ich spürte, es fehlte nicht viel, dass sie auf mich einschlug. Vielleicht hatte sie das in gewisser Weise die ganze Zeit über getan, und ihre Berührungen und Küsse waren nur eine Spielart von Schlägen gewesen. Ich knöpfte meine Hose zu und wollte nichts wie weg, als sie mich ein weiteres Mal überraschte und sich in all

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