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Das fuenfunddreißigste Jahr

Titel: Das fuenfunddreißigste Jahr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Truschner
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eurem Date ja jemand anderen getroffen, der ihm vielversprechender erschien?«
    »Danke für das Kompliment.« Sabine war ungehalten und hatte ihr Glas in derart raschen Zügen geleert, dass ein unbeteiligter Beobachter sie langsam für eine Gewohnheitstrinkerin halten konnte. »Was weiß ich. Scheiße.« Sie blickte in das leere Weinglas vor sich auf dem Tisch. »So seid ihr Typen halt.«
    Ich hatte es nur einmal mit einer Singlebörse versucht. Das einzig Zählbare, das daraus hervorgegangen war, war eine Affäre mit einer Ärztin, in deren braune Locken ich mich sofort verliebt hatte. Obwohl ihr Lächeln ebenso braun gelockt sein konnte, ruhten ihre Augen unter den penibel gezupften Brauen oft auf mir wie ein Stethoskop. Der Befund, der nach dieser Art von Untersuchung schließlich vorlag, lautete, dass ich nicht wusste, was ich wollte, was nach zwei Monaten nicht wirklich überraschend, für sie jedoch Grund genug war, mich – wie sie es nannte – abzuschießen. Sie war der einzige weibliche Workaholic, dem ich bis dahin nähergekommen bin. Ich wusste selbst, nachdem wir miteinander im Bett waren, nicht genau, ob zwischen uns etwas lief oder ob ich einfach eine Reihe von Terminen bei ihr wahrnahm, die über das übliche Verhältnis zwischen Arzt und Patient hinausgingen. Das hört sich vielleicht übertrieben an, aber wenn man ständig das Gefühl hat, einem Test unterzogen zu werden, während man gleichzeitig ohnehin nicht mit dem Herzen dabei ist, kann man sich bei den unglaublichsten körperlichen und emotionalen Verrenkungen zusehen und sich die bittersten Wahrheiten über sich selbst anhören, ohne dass hinterher eine Spur davon im Körper zurückbleibt. Es war im Grunde eine Affäre, die mich eher amüsierte, während Sabine das Lachen im Internet schon lange vergangen war. Sie gehörte zu jener Schar von Frauen, die sich unter dem Schutz eines Nicknames gegenseitig die Details ihrer Dates in Communities erzählten, in denen von Männern in Form von Wölfen, Schweinen und anderem Getier die Rede war, die Frauen beim ersten Treffen an die Wäsche gingen oder sie nach einigen Treffen dazu überreden wollten, eine Bürgschaft für sie zu übernehmen. Sabine war eine Zeitlang gleichzeitig in mehreren Börsen aktiv, in der Hoffnung, jemand – genauer gesagt: der Richtige – würde die virtuelle Dornenhecke überwinden und zu ihr vordringen. Mit dem einzigen, im Vergleich zu Dornröschen nicht unerheblichen Unterschied, dass die Dornenhecke im Laufe der Zeit unmerklich ein Teil ihrer selbst geworden war, bei der nicht sicher war, ob ein Mann sie je wieder ganz durchdringen konnte oder wollte.
     
    Sabine lag auf dem roten Ledersofa, das sie bei eBay ersteigert hatte. Sie hatte die Augen geschlossen, ihre Beine angewinkelt und presste einen Teil des cremefarbenen Überwurfs wie einen großen Teddybären an ihren Oberkörper. Ich hatte sie nachhause gebracht und fühlte mich bei ihrem Anblick ein wenig wie ein Vater, der spätabends seine auf dem Sofa eingeschlafene Tochter im nächsten Moment hochhebt und in ihr Zimmer trägt.
    Im Lokal hatte ich sie nicht dazu bringen können, etwas zu essen, was dazu führte, dass sie in kurzer Zeit ein Opfer der Geschwindigkeit geworden war, in der sie den Alkohol in sich hineinschüttete. Ich wollte eigentlich nicht mit in ihre Wohnung gehen. Aber sie redete laut, schwankte und klammerte sich an mich, dass mir – verfolgt von den fragenden und auffordernden Blicken im Lokal – schließlich nichts anderes übrigblieb.
    Sie öffnete die Augen, ließ den Überwurf los und richtete sich auf.
    »Wieso gibt’s hier nichts zu trinken?«, fragte sie und strich sich müde mit beiden Händen übers Gesicht. »Ich habe Durst.«
    »Ich finde, du hast genug«, sagte ich, was in diesem Fall keine Floskel, sondern die Wahrheit war. Ein unverkennbarer Signalton ertönte: Sie hatte eine SMS bekommen.
    »Willst du nicht nachschauen?«
    Sie zuckte mit den Achseln.
    »Vielleicht ist es ja dringend.«
    »Es ist mitten in der Nacht. Da kann ich mir schon vorstellen, was da so dringend ist.« Sie wischte den Gedanken an die SMS fort und sah mich herausfordernd an. »Außerdem: Ist das hier meine Wohnung oder deine?« Sie blickte sich um, als wollte sie sich noch einmal vergewissern, dass wir tatsächlich bei ihr waren. »Ich werde in meiner Wohnung ja noch was trinken dürfen? Oder willst du’s mir verbieten? In meiner eigenen Wohnung?«
    »Mach, was du willst«, sagte ich genervt.
    »Das

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