Das Fulcanelli-Komplott (German Edition)
über ihm und hielten Ausschau in Richtung des Altars.
Der Fremdenführer deutete auf die Dämonenstatue, und gleich darauf hallte seine Stimme durch den Kirchenraum. «Dieser furchteinflößende Geselle hier soll vermutlich den Dämon Asmodeus darstellen, den Sachwalter wichtiger Geheimnisse und Wächter von … verborgenen Schätzen.» Dies schien die Touristen zu entzücken, ganz im Gegensatz zu Ben. Er löste sich von der Reisegruppe und kehrte nach draußen in den Sonnenschein zurück, wo er frustriert einen Stein quer über die staubige Straße trat.
Rennes-le-Château lag hoch oben auf einem felsigen Hügel, von dem aus man ein weitläufiges Landschaftspanorama bewundern konnte. Am Westrand der Gemeinde fiel der Felsen steil ab. Ben stand am Rand des Steilhangs und starrte hinaus über die Hügel und Täler, während er sich eine Zigarette anzündete und das Feuerzeug mit der Hand vor dem Wind abschirmte. Er seufzte. Er fragte sich, wo Roberta jetzt wohl war. Es war Jahre her, dass er sich zum letzten Mal auf so schmerzhafte Weise allein gefühlt hatte.
Hier und dort erspähte er in der Ferne alte Türme und verfallene Bauwerke sowie zwei weitere Dörfer, die offenbar auch in uralter Zeit errichtet worden waren. Tief unter ihm in einem kargen Tal lag eine Ortschaft, die nach seiner Karte Esperaza hieß. Sein Blick schweifte über die Landschaft zu ein paar weitentfernten Ruinen, die der Karte zufolge Coustaussa waren.
Eine Erinnerung tauchte plötzlich in ihm auf. Es war eine Szene genau wie diese hier gewesen. Er hatte zusammen mit Anna Manzini hoch oben auf dem Hügel hinter ihrer Villa gestanden und den Ausblick über die Täler bewundert. Er erinnerte sich an das, was sie zu ihm gesagt hatte. Dass an irgendeinem bestimmten Ort die relativen Positionen der alten Landmarken einen Hinweis enthielten auf ein Geheimnis, das demjenigen, der das Rätsel löste, große Weisheit und Macht garantierte.
«Was hast du mir zu sagen versucht, Anna?», murmelte er leise, während er hinaus auf den Horizont starrte. Fulcanelli. Die Katharer. Verlorene Schätze. Es war alles miteinander verbunden. Es musste so sein. Hatte der Alchemist sein Kreuz und die alte Schriftrolle hier irgendwo in dieser Gegend gefunden? War das der Grund, weshalb Usberti diesen Teil Frankreichs ausgewählt hatte, um das Hauptquartier von Gladius Domini zu errichten?
Ben wanderte eine Zeitlang mit schleppenden Schritten durch das Dorf. Nicht weit entfernt von der Kirche fand er eine kleine Touristenbar, in der man auch Postkarten und Souvenirs kaufen konnte. Das Lokal war beinahe leer, und der Kaffee roch verlockend. Er setzte sich an einen Tisch in einer Ecke und bestellte sich eine Tasse, während er versuchte, seine Gedanken zu ordnen. Was zum Teufel hatte das alles überhaupt zu bedeuten? Er zog Rheinfelds Notizbuch aus der Plastikhülle und schlug es auf. Einmal mehr fiel sein Blick auf den eigenartigen Vierzeiler.
These temple walls cannot be broken
Satan’s armies pass through unaware
The raven guards there a secret unspoken
Known only to the seeker faithful and fair
Diese Tempelmauern können nicht eingerissen werden
Satans Armeen gehen nichts ahnend hindurch
Der Rabe wacht dort über ein stilles Geheimnis
Bekannt nur dem gläubigen und gerechten Sucher
Vielleicht waren es die wirren Gedanken eines ausgebrannten, unter Schlafmangel leidenden Gehirns – oder vielleicht war es ein Strahl von Klarheit, der den Nebel alchemistischer Rätsel durchdrang. Plötzlich traf ihn ein Gedanke wie ein Donnerschlag.
Er blätterte die Seiten zurück bis zu der Stelle mit der Zeichnung des doppelten Kreises, die sich auch auf der Klinge des Dolches befand. Es verhielt sich genau so, wie er gedacht hatte. Die Version in Rheinfelds Notizbuch unterschied sich durch den Raben genau im Zentrum. Falls Rheinfeld dieses Symbol akkurat vom Original kopiert hatte, bedeutete dies, dass Fulcanelli in voller Absicht ein neues Detail zu dem Motiv hinzugefügt hatte. Dahinter musste sich etwas verbergen – doch was?
The raven guards there a secret unspoken.
Der Rabe wacht dort über ein stilles Geheimnis.
Ben sah auf die andere Seite, wo das gleiche Symbol zusammen mit dem Wort DOMUS erschien. Das Haus des Raben.
Er saß da und dachte nach. Eine Hypothese: Wenn das Haus des Raben – für den Augenblick einmal außer Acht gelassen, was genau es war – im Zentrum der geometrischen Figur aus zwei Kreisen stand, war es dann möglich, dass die beiden Kreise
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