Das Fulcanelli-Komplott (German Edition)
Wänden. Es waren Dutzende, alle kniehoch und etwa einen Meter im Quadrat. Er trat näher heran. Sie waren bis zum Rand mit Gold gefüllt. Er streckte die Hand in eine der Truhen, und seine Finger harkten durch Münzen und Nuggets, Ringe und Amulette. Es war genug Gold in dieser Kirche, um den Finder zum reichsten Mann der Welt zu machen.
Mit einer dicken Kerze ging Ben zu dem mächtigen Altar. Zwei weiße Löwen, aus glattem Stein gehauen, trugen ein rundes Steinbecken von zweieinhalb Metern Durchmesser. Das Kerzenlicht spiegelte sich im dunklen Wasser darin. Auf dem glatten Rand standen in fließender Schrift die Worte:
Omnis qui bibit hanc aquam, Si fidem addit, Salvus erit
Übersetzt hieß dies:
Wer von diesem Wasser trinkt, wird Erlösung finden,
so er glaubt.
Zu den Füßen einer Engelsstatue befand sich ein goldenes Podest, und darauf lag ein langer lederner Zylinder. In seinem Innern fand Ben eine Schriftrolle. Vorsichtig zog er sie hervor, kniete sich hin und entrollte das uralte Dokument auf dem Fußboden, um es zu studieren. Es war offensichtlich mittelalterlich, wenngleich unglaublich gut erhalten. Die Schrift war eine merkwürdige Form von Latein, die er nicht lesen konnte, gemischt mit etwas, das aussah wie ägyptische Hieroglyphen.
Er blinzelte, als ihm bewusstwurde, was er vor sich sah. Das war also das legendäre Manuskript, nach dem alle gesucht hatten? Jetzt war klar, dass die Unterlagen, die Rheinfeld von Clément gestohlen hatte, und die Kopie, die er in seinem Notizbuch angefertigt hatte, lediglich Fulcanellis eigene Notizen darstellten – und nichts mehr. Und diese Notizen des alten Alchemisten waren nur Aufzeichnungen der Hinweise, die ihn selbst zum Manuskript geführt hatten. Die gleichen Hinweise, die den nächsten Suchenden führen würden, der Fulcanellis Schritten folgte.
Jetzt endlich, als Ben es vor sich sah, wurde ihm bewusst, welche Macht dieses geheimnisvolle Dokument über so viele Menschen ausübte. Niemand vermochte auch nur annähernd zu sagen, wie viel Blut im Verlauf der Jahrhunderte wegen dieses Manuskripts geflossen war – entweder um es zu schützen oder um in seinen Besitz zu gelangen. Es hatte zweifellos die Macht, Böses heraufzubeschwören. Aber hatte es auch die Macht, Gutes zu tun?
Noch etwas war aus dem Lederzylinder gefallen. Es war ein gefaltetes Blatt Papier. Ben klappte es vorsichtig auseinander. Es war ein Brief, und er hatte diese Handschrift schon einmal gesehen.
An den Suchenden:
Mein lieber Freund,
Wenn Ihr so weit gekommen seid, diese Worte zu lesen, dann seid Euch meines Beifalls gewiss. Dieses Geheimnis, welches den Großen und Weisen unter den Menschen seit Anbeginn der Zivilisation entgangen ist, liegt nun in Euren tapferen und entschlossenen Händen.
Mir bleibt nur, Euch diese eine Warnung weiterzugeben: Wenn der Erfolg zu guter Letzt die lange Mühe krönt, darf sich der Weise nicht verführen lassen von den Eitelkeiten der Welt. Er muss in Glauben und Demut verharren und darf das Schicksal jener nie vergessen, die von den Mächten des Bösen verführt wurden.
Der Adept muss ewiges Schweigen bewahren, in der Wissenschaft und im Glauben.
Fulcanelli
Ben sah zu dem Steinbecken am Fuß des Altars. Das Elixir Vitae war direkt vor ihm. Seine Suche war vorüber. Jetzt galt es, keine Zeit mehr zu verlieren.
Er sprang auf und blickte sich suchend um nach einem Gefäß, das er benutzen konnte, um das Elixier zu Ruth zu bringen. Sein Flachmann fiel ihm ein. Ohne eine Sekunde zu zögern, schraubte er den Deckel auf und schüttete den Whiskey aus. Die Flüssigkeit spritzte auf den Steinboden. Sein Herz pochte wild, als er das Behältnis in das Wasser eintauchte und es füllte. Glaubte er? Konnte diese spezielle Substanz tatsächlich heilen?
Tropfen der kostbaren Flüssigkeit rannen außen an dem gefüllten Flachmann herunter, als er ihn aus dem Steinbecken hob. Seine Neugier war überwältigend. Er setzte den Flachmann an die Lippen.
Der faulige Geschmack war so intensiv, dass er sich beinahe übergeben hätte. Er spuckte und würgte. Voller Abscheu wischte er sich über den Mund. Er leuchtete mit der Kerze in das Becken hinein, als er einen Teil des Wassers zurückgoss. Es war voller grünlichem Schleim.
Ben sank auf die Knie und ließ den Kopf hängen. Es war vorbei. Er war am Ende der Straße angelangt. Er hatte versagt.
Der plötzliche ohrenbetäubende Knall in der Kaverne schnitt wie ein Messer durch seine Trommelfelle.
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