Das ganze gleich nochmal
schweiften immer wieder zu Houston und zu ihrer Verabredung ab. Das Zusammentreffen am Vormittag war schwierig genug gewesen.
Ein Blick auf ihn genügte, um ihre Sehnsucht zu wecken. Wenn er sie berührte, glaubte sie wieder zu fühlen, wie er ihr mit seinen Zärtlichkeiten höchste Lust bereitet hatte.
Als er davon sprach, dass sie füreinander bestimmt waren, wäre sie ihm beinahe um den Hals gefallen und hätte ihm ihre Liebe offenbart. Der Arzt hatte sie jedoch davor gewarnt, ihm einen solchen Schock zu versetzen. Darum hatte sie sich unter Aufbietung ihrer ganzen Willenskraft von Houston zurückgezogen. Allerdings wusste sie nicht, ob sie das noch einmal schaffen würde.
Mühsam konzentrierte sie sich auf die Arbeit und stellte fest, dass fast in jeder Akte etwas fehlte. Dieser Dan, den sie vertrat, hatte tatsächlich nichts von Schreibtischtätigkeit gehalten.
Je länger sie arbeitete, desto schlimmer wurde es. Hier herrschte keine Unordnung, sondern das reinste Chaos. Wahrscheinlich war der zuständigen Behörde gar nicht bekannt, wie lasch in diesem Heim gearbeitet wurde. Für kein einziges Kind waren sämtliche Unterlagen vorhanden.
Schließlich gab Carley auf und rief bei der Jugendfürsorge an, um die zuständige Sachbearbeiterin aufzutreiben, von der Doc Luisa gesprochen hatte. Sie wurde an eine Miss Fabrizio verwiesen.
Carley stellte sich vor und erklärte ihr Problem. “Wie oft kontrollieren Sie eigentlich diese Unterlagen?”
“Ich selbst kontrolliere gar nichts. Das erledigen die Mitarbeiter im Außendienst.” Sie hörte sich an, als würde sie sich die Hände schmutzig machen, wenn sie mit einem Kind zusammentraf. “Die diesbezüglichen Gesetze in Texas sind sehr klar, Dr. Mills. Wir müssen jedes Heim alle zehn bis zwölf Monate kontrollieren. In meinem Distrikt versuchen wir, diese Kontrollen zweimal im Jahr durchzuführen, und für jedes Kind müssen vollständige Unterlagen vorhanden sein.”
“Besitzen Sie eigentlich Kopien dieser Unterlagen?”, fuhr Carley fort.
“Ja, selbstverständlich.”
“Ich finde in unseren Akten nicht alle Dokumente, die wir brauchen. Wann kommt wieder jemand von Ihrem Amt zu uns?”
“Ein Besuch auf der Ranch steht in zehn Tagen an. Ich erwarte, dass sämtliche Akten vollständig und geordnet vorhanden sind, wenn mein Mitarbeiter bei Ihnen erscheint.”
“Könnte ich dann irgendwann in dieser Woche zu Ihnen kommen?”, fragte Carley. “Ich brauche Kopien der fehlenden Unterlagen.”
“Das verstößt gegen die Vorschriften. Es ist nicht unsere Aufgabe, einer Heimverwaltung bei der Beschaffung der Papiere behilflich zu sein.”
Carley hatte hässliche Gerüchte gehört, dass die Bürokraten jenseits der Grenze Geld oder Gefälligkeiten verlangten, um ihre Arbeit zu erledigen. Sie hatte jedoch stets gedacht, dass auf ihrer Seite der Grenze die Beamten ehrlich waren und hart arbeiteten. Vielleicht brauchte Miss Fabrizio einen kleinen Anreiz.
“Ich habe den Eindruck, dass man mit Ihnen vernünftig sprechen kann”, begann Carley. “Sehen Sie, ich bin neu in dieser Gegend. Möchten Sie irgendwann diese Woche mit mir essen gehen? Vielleicht könnten Sie mir bei der Gelegenheit Tipps geben, wie ich mich hier am besten zurechtfinde.”
“Nun ja …”
“Bitte, Miss Fabrizio, Sie bestimmen den Tag und das Restaurant, und selbstverständlich lade ich Sie ein.”
Bereitwillig ergriff die Frau die Gelegenheit zu einem Gratisessen. Sie nannte das Datum, und Carley war überzeugt, dass sie sich das teuerste Restaurant im ganzen Tal ausgesucht hatte.
Carley legte angewidert auf und war gespannt, wie viel sie für jede der benötigten Kopien bezahlen musste. Miss Fabrizio erschien ihr undurchsichtig und machte sie nervös.
Obwohl es ein warmer Frühlingstag war, fröstelte Carley und versuchte, nicht weiter an diese unschöne Angelegenheit zu denken. Erst in einigen Tagen musste sie sich wieder mit dieser Sache befassen. Und jetzt blieb ihr gerade noch Zeit, um zu duschen und sich für den Abend umzuziehen.
Prompt tauchte ein neues Problem auf. Was trug man hier zu einer Tanzveranstaltung mit Musik aus der Sparte Country & Western? Ein Kleid? Eine Stoffhose? Vielleicht passten zu allem, das ‘Western’ hieß, Jeans.
Schließlich entschied sie, dass ein Kleid immer zum Tanzen geeignet war. Sobald das feststand, schloss Carley die Akten und lief die Treppe hinauf, um sich umzuziehen. Dabei war sie unglaublich aufgeregt. Der Tanz war schließlich
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