Das geborstene Schwert
zitternd befestigte er das Otterfell um seine Lenden und die Adlerflügel an seinen Schultern, und über beides warf er das Wolfsfell.
Auch Frida stieg ab. Hungrig küßten sie sich.» Lebewohl, Geliebte «, sagte er.» Lebewohl, bis ich das Schwert bringe. «
Er wagte es nicht, länger bei dem leise weinenden Mädchen zu bleiben, wandte sich schnell ab und zog den grauen Pelz dichter um sich. Er ließ sich auf alle Viere niederfallen und sprach die notwendigen Worte. Dann fühlte er, wie sein Körper sich auflöste und neu bildete, fühlte, wie seine Sinne sich wandelten. Und Frida sah, wie er sich – schnell, als schmelze er – veränderte, bis ein großer Wolf mit grün durch das Dunkel leuchtenden Augen neben ihr stand.
Die kalte Nase schmiegte sich für einen kurzen Augenblick in ihre Handfläche, und sie fuhr ihm durch den rauhen Pelz. Er trabte davon.
Über den Schnee ging es, durch Busch und Strauch, schneller und ausdauernder als ein Mensch. Es war seltsam, ein Wolf zu sein. Das Zusammenspiel von Knochen, Muskeln und Sehnen war ganz anders als vorher. Der Wind fuhr ihm durch das Fell.
Sein Sehvermögen war getrübt; die Welt war flach und farblos. Aber dafür hörte er den schwächsten Laut, das Seufzen und Flüstern im Wald. Die gewaltige Stille der Nacht war zu einem vielfältigen Murmeln geworden – viele dieser Töne waren für menschliche Ohren zu hoch. Und er roch die Luft, als sei sie ein Lebewesen, unzählige scharf voneinander zu unterscheidende Düfte umwehten seine Nase. Außerdem gab es Empfindungen, für die die Menschen keine Worte hatten.
Er war wie in einer neuen Welt, einer Welt, die sich in jeder Beziehung anders anfühlte. Und er selbst war auch anders geworden, nicht allein sein Körper, sondern auch seine Seele und sein Geist. Sein Verstand bewegte sich über wölfische Pfade, die schmaler, aber irgendwie kühner waren. In Tiergestalt war er nicht imstande, all die Gedanken zu denken, die er als Mensch hatte, und wenn er wieder zum Menschen geworden war, konnte er sich an das, was er als Tier gefühlt und gedacht hatte, nicht mehr erinnern.
Weiter und weiter! Die Nacht und die Meilen flohen unter seinen Füßen. Die Wälder waren voll verstohlenen Lebens. Er nahm den Geruch eines Hasen wahr – eines geängstigten Hasen, der sich ganz in der Nähe versteckte und die großen Augen auf ihn richtete – und in seinem Wolfsmaul lief das Wasser vor Gier zusammen. Aber seine Menschenseele trieb den Tierkörper weiter. Eine Eule schrie. Bäume und Hügel und eisbedeckte Flüsse rasten vorbei, der Mond schlich über den Himmel, und immer noch rannte er.
Endlich sah er Elfenhöhe. Es ragte vor den silbergesäumten Wolken auf, und auf den Spitzen seiner Türme ruhten die frostigen, kalten Wintersterne. Elfenhöhe, Elfenhöhe, die schöne Gefallene, stand jetzt wie eine Bedrohung schwarz vor dem Himmel!
Er legte sich flach auf den haarigen Bauch und glitt den Hügel hinauf bis an die Mauern. Jeder Wolfssinn war angespannt und erforschte die Umgebung. Waren Feinde in der Nähe?
Der schlangenhafte Trollgeruch erreichte ihn. Er ließ den Schwanz sinken und entblößte die Fänge. Die Burg stank nach Troll – und nach Schlimmerem, nach Furcht und Schmerz und erstickten Rachegelüsten.
Mit seinen schlechten Wolfsaugen konnte er den Rand der Mauer, an deren Fuß er hockte, nicht gut erkennen. Die Wachen, die über ihm hin – und herschritten, hörte und witterte er, und er zitterte vor Verlangen, ihnen die Kehlen durchzubeißen.
Ruhig, ruhig, ermahnte er sich selbst. Dann waren sie an ihm vorüber, und es war an der Zeit, von neuem die Gestalt zu wechseln.
Da er bereits ein Tier war, brauchte er dazu nichts anderes als seinen Willen. Er krümmte sich, fühlte sich schrumpfen und verändern, und sein Gehirn drehte sich. Dann hob er die langen Schwingen eines Adlers und stieg zum Himmel auf.
Jetzt waren seine Augen scharf, unmenschlich scharf, und die Herrlichkeit des Fluges, des Windes und der himmlischen Endlosigkeit sang durch jede einzelne Feder. Und doch war in dem einfachen Adlergehirn genug Willenskraft enthalten, daß er sich dem großartigen Rausch nicht hingab. Seine Augen waren keine Eulenaugen, und hier in der Luft gab er ein gutes Ziel für Trollpfeile ab.
Über die Mauer flog er und rauschte hinab in den Hof. Er landete im Schatten eines dicht mit Efeu bewachsenen Turms, und wieder überlief ihn das den Wechsel begleitende Erschauern. Sobald er ein Otter geworden
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