Das geborstene Schwert
großen Toten birgt!
Ein Trollhorn kreischte, als sie an dem Hafen von Elfenhöhe vorbeirasten. Auch mit ihrer Hexensicht konnten sie die Burg nicht erkennen, aber sie hörten Hufschläge hinter sich. Bald verklangen sie; die Trolle ritten nicht so schnell, und sie würden ihnen zu dem heutigen Ziel auch nicht folgen.
Schnell, schnell durch Wälder, wo der Wind sich in vereisten Ästen fing, wo sie sich unter Bäumen ducken mußten, die mit ihren nackten Zweigen nach ihnen griffen – über gefrorene Sümpfe, über dunkle Hügel, hinunter in das flache Land und über schneebedeckte Felder – Galopp, Galopp!
Frida erkannte die Landschaft. Immer noch trieb der Wind Hagelkörner vor sich her, aber die Wolken wurden dünner, und die Mondsichel warf Licht auf Ackerland und Pferche. Sie erinnerte sich an diesen Fluß und jenen kleinen Bauernhof, hier hatte sie mit Ketil gejagt, dort hatten sie und Asmund einen ganzen faulen Sommertag lang geangelt, auf der Wiese dort hatte Asgerd für sie beide Ketten aus Gänseblümchen geknüpft – wie lange war das her?
Die Tränen gefroren ihr auf den Wangen. Sie fühlte Skaflocs Hand auf ihrem Arm, und sie lächelte ihm zu. Ihr Herz ertrug diese Rückkehr kaum, aber er war bei ihr, und solange sie zusammen waren, gab es nichts, was sie nicht auf sich nehmen würde. Auf ihren keuchenden, zitternden Pferden ritten sie schweigend, Hand in Hand, ganz langsam an die Stelle, wo einmal Orms Hof gestanden hatte. Sie sahen große Schneewehen, aus denen schwarze, verkohlte Balken ragten. Und oben an der Bucht erhob sich der Grabhügel.
Ein Feuer flackerte auf seiner Spitze mit bläulich-weißen Flammen – wärmelos, freudlos züngelten sie hoch hinauf in die Dunkelheit. Frida bekreuzigte sich schaudernd. So hatten die Grabfeuer der alten heidnischen Helden nach Sonnenuntergang gebrannt. Vielleicht hatte ihr unheiliges Vorhaben das hier entzündet; es konnte kein christlich geweihter Boden sein, in dem Orm lag. Aber mochte er auch noch so weit in das namenlose Land des Todes gewandert sein, er blieb ihr Vater.
Sie konnte keine Furcht vor dem Mann empfinden, der sie auf seinen Knien geschaukelt und ihr Lieder vorgesungen hatte, daß die Halle dröhnte. Trotzdem zitterte sie am ganzen Körper.
Skafloc stieg ab. Seine Kleider waren schweißdurchtränkt. Noch nie hatte er den Zauber angewendet, den er heute Nacht machen wollte.
Er schritt auf den Hügel zu – und blieb stehen und griff nach seinem Schwert. Schwarz im Licht des Mondes und des Feuers saß oben auf dem Grab eine schwarze Gestalt. Wenn er gegen einen Geist kämpften mußte –
Frida wimmerte mit der Stimme eines verlorenen Kindes:» Mutter! «
Skafloc nahm ihre Hand. Zusammen stiegen sie den Hügel hinauf.
Die Frau, die dort saß, ohne sich vor dem Feuer zu scheuen, hätte beinahe Frida sein können, dachte Skafloc bestürzt. Sie hatte ihr süßes Gesicht, ihre weit auseinander stehenden grauen Augen, ihr rötlich schimmerndes braunes Haar. Aber nein, nein … sie war älter, ausgehöhlt von Sorgen, ihre Wangen waren eingefallen, ihre Augen starrten leer hinaus aufs Meer, ihr Haar flatterte im Sturm. Auf ihrem abgemagerten Körper trug sie über Lumpen einen dicken Pelzmantel.
Als Skafloc und Frida in den Lichtkreis traten, wandte sie langsam den Kopf. Ihr Blick blieb auf ihm haften.
» Willkommen, Valgard «, sprach sie ausdruckslos.» Hier bin ich. Du kannst mir kein Leid mehr zufügen. Du kannst mir nur noch den Tod geben, und das ist mein größter Wunsch. «
» Mutter. «Frida sank vor der Frau auf die Knie.
Älfrida starrte sie an.» Das scheint meine kleine Frida zu sein – aber du bist tot. Valgard hat dich weggeführt, und danach kannst du nicht mehr lange gelebt haben. «Sie schüttelte den Kopf, lächelte und breitete die Arme aus.» Es ist gut von dir, daß du dein stilles Grab verlassen hast und zu mir gekommen bist. Ich bin so einsam gewesen. Komm, mein totes Kind, komm, leg dich an meine Brust, und ich will dich in den Schlaf singen, wie ich es getan habe, als du noch klein warst. «
» Ich lebe, Mutter, ich lebe – und du lebst – «die Tränen erstickten ihre Worte.» Sieh mich an, fühle, ich bin warm, ich bin am Leben. Und das hier ist nicht Valgard, es ist Skafloc, der mich vor ihm gerettet hat. Es ist Skafloc, mein Herr, ein neuer Sohn für dich – «
Älfrida stand auf. Sie stützte sich schwer auf den Arm ihrer Tochter.» Ich habe gewartet «, sagte sie.» Ich habe hier
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