Das Gebot der Rache
»beschwipst«, »angeheitert«. Was für unglaubliche Untaten mit der Beschwörung eines dieser Wörter entschuldigt wurden. (Und wieder komme ich nicht umhin, mir vorzustellen, was passieren würde, wenn einer unserer Freunde an Weihnachten mit zehn Humpen Bier und einer halben Flasche Whisky intus nach Hause käme, das Wohnzimmer verwüsten und die Geschenke der Kinder auspacken würde. Die teure Entziehungskur, die zwangsläufig folgen würde. Die tränenreichen, wöchentlichen Besuche beim Familientherapeuten. Die Trennung auf Probe.)
Jedenfalls war es die Sauferei, die meine Freundschaft mit Banny und Tommy überhaupt erst ermöglichte. Banny hatte mich bei einer unserer ersten Begegnungen verprügelt. Ich sage zwar verprügelt, aber es war nichts im Vergleich zu den Schlägen, die ich ihn im Verlauf unserer Freundschaft regelmäßig austeilen sehen sollte. Ich war ihm eines Morgens während der Pause im Flur begegnet und hatte den Fehler begangen, ihn anzusehen. Seine unvermeidbare Reaktion lautete: »Was glotzt du so blöd, Kleiner?«
»Ich hab gar nicht geglotzt.«
Bumms. Er rammte mir seine Faust in den Magen. Mir blieb die Luft weg, und ich klappte am Boden zusammen. »Werd bloß nicht frech!«, rief er mir über die Schulter zu, während er seelenruhig davonschlenderte. Im Jahr darauf, wir waren inzwischen dreizehn, trafen wir uns auf Craig Hamiltons Party. Er war im Jahrgang über uns und hatte sturmfreie Bude. Seine Eltern waren in Urlaub gefahren und hatten ihrem vierzehnjährigen Sohn die Verantwortung für das Haus überlassen. Dreißig bis vierzig Teenager kippten literweise Merrydown Cider, Bier, Whisky und Wodka in sich hinein. Ich hatte drei Dosen Skol getrunken und war zum ersten Mal in meinem Leben besoffen. Ein paar von uns hingen gerade im Garten rum, als wir Licht sahen und das Sirren von Speichen hörten – auf der Gasse hinter dem Haus näherte sich ein Fahrrad. »He, seht ihr das«, sagte jemand, vielleicht war es Tommy. »Da kommt diese Schwuchtel Kenny Morrison.« Ein Junge von einer anderen Schule. Und je näher das Fahrrad kam, desto diabolischer wurde Bannys Grinsen. Daraus las ich, dass er den Jungen wohl nicht sonderlich mochte. »Lasst uns den Arsch mit Dosen bewerfen«, schlug er vor, während er eine grüne Kestrel-Büchse in seiner Faust zerquetschte. Unweit der Stelle, wo wir herumlungerten, rauchten und soffen, befand sich ein kleines Gemüsebeet. Darin steckte eine Reihe von Bambusstangen, wohl als Rankhilfe für Kletterbohnen oder Ähnliches. Einer plötzlichen Eingebung folgend, zog ich eine der Stangen aus der Erde. Kaum war das Fahrrad auf der Höhe des Gartens, flog ihm eine Flut von Beschimpfungen und Bierdosen entgegen. Morrison begriff erst im letzten Augenblick, was passierte. Er stemmte sich hoch, trat wie wild in die Pedale, riss den Lenker nach rechts und versuchte, so schnell wie möglich abzuhauen. Ich trat mit erhobener Hand einen Schritt vor, und gerade als Morrison zurückbrüllte: »Leckt mich doch, ihr blöden W…«, schleuderte ich den Bambusstab wie einen Speer geradewegs in sein Vorderrad. Es war ein absoluter Glückstreffer. Der Stab bohrte sich direkt zwischen die Speichen und zersplitterte. Das Rad kam so abrupt zum Stehen, als wäre es gegen eine Mauer gefahren, und Kenny Morrison – das »W« von »Wichser« noch auf seinen Lippen – wurde über den Lenker hinweg mehrere Meter durch die Luft geschleudert. Sein großes, violettes Bonanza-Rad rutschte scheppernd über den Asphalt, bevor er unsanft auf dem Beton des Bürgersteigs landete.
Hinter mir brach schallendes Gelächter aus.
Alle bepissten sich. Wirklich alle. Und ganz besonders Banny. Er krümmte sich vor Lachen, ging auf die Knie und schnappte nach Luft. Tränen liefen ihm über die Wangen. »Habt … habt ihr das Gesicht von diesem blöden Pisser gesehen?« Er stand auf und legte mir den Arm um die Schulter. »Alle Achtung, Kleiner. Das war unfassbar! Der absolute Hammer!« Morrison ergriff derweil sein ramponiertes Angeberrad und humpelte ins Dunkel davon, nicht ohne uns ein weinerliches »Ihr Wichser seid so gut wie tot!« zuzurufen.
Big Bannys Arm. Auf meiner Schulter.
Noch heute, fast dreißig Jahre später, frage ich mich manchmal, was geschehen wäre, wie anders die Dinge sich wohl für mich entwickelt hätten, wenn dieser Bambusstab sein Ziel verfehlt hätte. Wenn er, ohne Schaden anzurichten, vom Reifen abgeprallt oder hinter dem Rad auf dem Asphalt gelandet wäre. Wenn
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