Das Gebot der Rache
fertiggemacht.« Danko schüttelte den Kopf, während ich unsere Gläser auffüllte.
Die Tür öffnete sich, und Irene kam zurück. Sie trug Topfhandschuhe und ging geschäftig summend zum Backofen.
»Ich glaube, manche Leute kommen einfach nicht damit klar«, sagte Danko. »Dieses Lachen, es ist bloß eine Übersprungshandlung.« Er nippte an seinem Drink und wandte sich über die Schulter an Irene. »Das riecht aber verdammt gut, Ma’am.« Lächelnd, immer noch die Topfhandschuhe an den Händen, ging sie zu ihm rüber. »Ich schätze, der Brandy hat meinen Appetit geweckt. Ich …«
Dann folgte ein leises Geräusch – tock, tock, tock –, und Danko richtete sich in seinem Stuhl urplötzlich kerzengerade auf, als hätte ihn ein elektrischer Schlag getroffen. Sein Gesicht war schmerzverzerrt, seine Füße traten aus, trafen den Tisch und warfen die Gläser um. Ich fuhr voller Panik zurück, im Glauben, er hätte einen Schlaganfall oder eine Herzattacke. Einen Augenblick lang saß er regungslos da, umklammerte die Tischkante, die Augäpfel zitterten in ihren Höhlen.
Blut lief aus dem linken Mundwinkel.
Er schlug mit dem Gesicht auf dem Holztisch auf. In seinem Hinterkopf klaffte eine blutige Wunde.
Irene stand jetzt direkt hinter ihm.
Den rechten Arm hatte sie ausgestreckt. Ihre Hand befand sich genau dort, wo gerade noch Dankos Kopf gewesen war. Aus einem kleinen Loch in der verkohlten Spitze des Topfhandschuhs trat Rauch aus. Ich zuckte zurück. Zitternd und nach Worten ringend versuchte ich, Halt zu finden – an der Stuhllehne, dem Küchentresen, irgendwo. Irene schüttelte den Handschuh ab.
In ihrer Rechten hielt sie eine kleine automatische Pistole, vor deren Mündung sich etwas Rauch kräuselte.
Sie lächelte – ein breites, entsetzliches Grinsen.
Das Blut, das sich unter Dankos Kopf ausbreitete, tropfte bereits auf den Boden. Sein Bein zuckte noch immer.
Korditgeruch erfüllte die Küche.
»Hallo, William«, sagte sie.
Ihr Südstaaten-Akzent war verschwunden.
24
Die Frau, die offensichtlich nicht Irene Kramer aus Georgia war, durchquerte in einem großen Bogen den Raum und ließ die Pistole dabei auf mich gerichtet. Sie trat hinter mich und ich konnte die Hitze des Laufs in meinem Nacken spüren. Ich war schlagartig nüchtern. Ich schrak auf, als Dankos Körper erneut zuckte. »Immer langsam, William«, sagte sie. »Leg die Hände auf den Rücken, durch die Streben der Stuhllehne. Genau, so ist’s richtig.«
»Warum nennen Sie mich so? Ich weiß nicht …«
Ein bohrender Schmerz durchfuhr mich, als sie mir den Griff der Pistole gegen die Stirn schlug. »Lüg mich nicht an.«
Benommen saß ich auf meinem Stuhl. Ich fühlte, wie die Kante eines Kabelbinders in meine Handgelenke schnitt. Jede Zelle meines Verstandes sträubte sich und schrie: Lass nicht zu, dass diese Frau dich an den Stuhl fesselt! Angespannt machte ich mich bereit aufzuspringen, aber sofort hatte ich wieder den heißen Lauf der Waffe im Nacken, der mir die Haut verbrannte. »Lass es«, herrschte sie mich an, und ich hörte das Ratschen, als sie die Kabelbinder zuzog. Nun war ich gefangen.
Ich flennte und ließ den Kopf auf die Brust sinken. Sie stellte sich vor mich. »Sieh mich an.«
Ich hob den Blick und war mir sicher, dass sie es war. Doch obwohl ich es wusste, wollte ich es einfach nicht wahrhaben. Ich konnte keine Verbindung zwischen dieser älteren Frau und der jungen Blondine herstellen, die ich auf einem körnigen Foto im Internet gesehen hatte. Geschweige denn zu dem Menschen, dem ich zuletzt vor fast dreißig Jahren gegenübergestanden hatte. Ein halbes Leben war das her, vor Gericht. »Wer bin ich?«, fragte sie. Anstelle des Südstaaten-Akzents war eine sanftere, kultivierte Variante meines eigenen schottischen Dialekts getreten. Die Laienspielgruppe. Ihre Schauspielerei.
»Mrs. Docherty«, schluchzte ich. »Gill Docherty.«
»Braver Junge. Schon besser, William.«
»Sie haben Sammy getötet. Unseren Hund …«
»Wir haben reichlich Zeit, um in Ruhe über all das zu reden. Du hast ja keine Ahnung, wie lange ich das alles geplant habe. Man könnte es als mein Lebenswerk bezeichnen.« Sie durchsuchte nun ihre Handtasche und holte etwas Glitzerndes hervor. Eine silberne Scheibe. »Ich habe das heute schon einmal abgespielt«, sagte sie. Dann ging sie zum Fernseher hinüber und schob die DVD in den Player.
Sie drückte die Start-Taste. Erst erklang nur ein misstönendes statisches Rauschen, dann erschien
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