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Das Gebot der Rache

Das Gebot der Rache

Titel: Das Gebot der Rache Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Niven
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hintere Tür öffnete und hineinkletterte. Dann nahm ich Sams Pistole und überprüfte das Magazin: Es war bis obenhin voller glänzender Messingpatronen. Ich schob es zurück in den Griff und schleppte mich zur Tür. Dort ging ich in die Hocke und blickte den Korridor hinunter in die Richtung, aus der Mikes Stimme gekommen war.
    »Mike! Sei vorsichtig. Sie ist nicht verletzt. Sie hat eine kugelsichere Weste an.«
    »Hilfe ist unterwegs.« Seine Stimme hallte geisterhaft den langen Flur entlang. »Bist du bewaffnet?«
    »Ja!«
    »Bleib, wo du bist. Sie werden in ein paar Minuten hier sein.« Dann hob er die Stimme und rief in die Leere des Hauses hinein: »Hören Sie, es ist vorbei. Kommen Sie raus und ergeben Sie sich.«
    Ich drückte mich gegen die Wand und umklammerte die Waffe mit beiden Händen. Direkt auf der anderen Seite des Flurs befand sich die offene Tür zu einem der Gästezimmer. Der Raum hatte eine Verbindung zu einem Badezimmer, von wo wiederum eine Tür in ein weiteres Gästezimmer führte. Plötzlich glaubte ich, aus dem Augenwinkel einen Schatten vorbeihuschen zu sehen. Ich schrie, dann feuerte ich dreimal. Das Mündungsfeuer erhellte für Sekundenbruchteile den Korridor. Es hagelte Lichtblitze, wie von einem durchgedrehten Stroboskop. Der Rückstoß der Waffe riss mir fast die Schulter weg, und ich dachte, ich würde taub.
    »Sie ist es, Mike! Sie kommt auf dich zu! Vorsicht, Mike!«
    »Bleib, wo du bist, Donnie!«
    Mit klingelnden Ohren lauschte ich angestrengt in die Dunkelheit, an die meine Augen sich nun langsam gewöhnten. Zu meiner Rechten erstreckte sich der Flur bis zu den vier Stufen, die rauf zum Wohnzimmer führten. Von dort war Mikes Stimme gekommen. Links von mir lag der Hauswirtschaftsraum mit seiner Verbindungstür zu der großen Garage.
    Lange Sekunden verstrichen in völliger Stille. Schließlich hörte ich ein Geräusch, ziemlich weit weg, in Mikes Richtung. Etwas war zerbrochen oder umgekippt. Mike brüllte: »Stehen bleiben!«, dann gab es einen Knall, sofort gefolgt von einem weiteren – Bam! Bam! –, und etwas Schweres schlug auf dem Boden auf. Danach herrschte Stille.
    An die Wand gepresst hielt ich die Waffe mit ausgestreckten Armen und zitternden Händen von mir weg.
    »Donnie?« Endlich, Mikes Stimme ertönte am Ende des Korridors. »Bleib da. Ich checke, ob ich sie erledigt hab.«
    Das Parkett knarrte, als er sich bewegte. Ich robbte auf den Ellbogen vorwärts – der Schmerz in meinem Bein war von der Angst betäubt – und steckte den Kopf in den Korridor, die Pistole vor mir ausgestreckt. Plötzlich ein gedämpfter Laut, so etwas wie ein Grunzen oder Keuchen.
    »Mike! Mike!«, rief ich in die Dunkelheit.
    Ich hörte ein feuchtes Plätschern irgendwo weiter hinten im Flur, als würde irgendwo Wasser austreten. Vielleicht war bei der Schießerei eine der Leitungen …
    Das Haus erstrahlte in gleißendem Licht, einen Augenblick lang war ich völlig geblendet.
    Dann sah ich sie oberhalb der kurzen Treppe aus dem Schatten heraustreten, vielleicht zwanzig Meter von mir entfernt.
    Sie sah aus, als hätte sie in Blut gebadet.
    Ich schrie.
    Die Arme ausgestreckt, hielt sie mir in der einen Hand das Schlachtermesser, in der anderen den chromblitzenden Revolver entgegen.
    Weiter schreiend hob ich die Pistole, feuerte wie wild drauflos und erkannte im Mündungsfeuer, wie sie sich nach links wegduckte, während ich Wände und Decke durchlöcherte. Ich schwenkte mit der Waffe herum, betätigte immer wieder den Abzug und durchsiebte die Rigipswand, hinter der sie verschwunden war. Meine Ohren fiepten, dichter Korditrauch verschluckte mich. Ich drückte immer weiter ab, bis die Waffe in meinen Händen glühte. Als der Abzug schließlich nur noch wirkungslos klickte, warf ich die Pistole weg und rannte den Korridor hinunter.

43
    Ich stürzte in den Hauswirtschaftsraum, wo ich keuchend zwischen Waschmaschine, Trockner und Wäschekörben stand und mein Bein umklammerte. Mein Blick fiel auf den Wäscheständer, Kartons mit Waschmittel und Entkalker, es roch nach Weichspüler – in ihrer Alltäglichkeit fast grotesk wirkende Ikonen der Hausarbeit. Als ich sie den Flur entlangkommen hörte, erstarrte ich. Ich war unbewaffnet, völlig wehrlos.
    Ich öffnete die Tür zur Garage. In dem großen, von Neonlicht erhellten Raum mit seinen nackten Betonsteinwänden, den wir als zusätzlichen Abstellraum nutzten, war es deutlich kälter als im Haus. Ich schob den mickrigen Riegel vor und sah

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