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Das Gebot der Rache

Das Gebot der Rache

Titel: Das Gebot der Rache Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Niven
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das auf der Bande lag, durchtrennte Walts Fesseln und zog ihm den Knebel heraus, worauf ihm sein Enkelsohn weinend in die Arme fiel. »Opa, Opa«, sagte er wieder und wieder. »Alles ist gut, Junge«, erwiderte Sam. »Ich bin ja da.« Er machte sich daran, auch mich zu befreien, den linken Arm zuerst. Walt klammerte sich an ihn, zitternd und schluchzend vergrub er sein Gesicht in der Taille seines Großvaters. Als ich meine Beine streckte, schrie ich vor Schmerz auf. »Ganz ruhig«, sagte Sam. »Mike ist hier. Er ist draußen.« Er beugte sich über mich, um mir aufzuhelfen.
    »Ist sie tot?«, fragte ich.
    »Sie?« Seine Stirn legte sich in Falten.
    Jesus.
    Hinter ihm bewegte sich etwas, ein Schatten huschte vorbei. Noch bevor ich schreien konnte, erschien ein Arm und legte sich um seine Stirn. Sam wollte nach der Waffe greifen, aber es war zu spät. Ein weiterer Arm schoss vor. Sie ragte jetzt hinter ihm auf, ihr Gesicht eine furchterregende Maske grausamer Entschlossenheit, und schnitt ihm mit dem Skalpell die Kehle durch. Ich zog Walt an meine Brust, als das Blut seines Großvaters über uns spritzte. Es schien eine Ewigkeit zu dauern. Sie, die ihn von hinten umklammert hielt. Sams Zucken und Treten, während er verblutete, sein überraschter Gesichtsausdruck, wie er die Augen verdrehte, bis seine Pupillen endgültig in den Höhlen verschwanden. Walt, der sein tränennasses Gesicht an mich presste. Schließlich ließ sie das Skalpell sinken, und Sam sackte zu Boden. Sie zog den Revolver aus dem Hosenbund und drückte Walt den Lauf ins Kreuz.
    »Keine Zeit mehr, William«, sagte sie mit einem traurigen Lächeln.
    Bam! Bam! Bam! Drei Schüsse fielen in schneller Folge. Sie stolperte rückwärts. Nach Atem ringend griff sie sich an die Brust, ließ die Waffe fallen und taumelte zur Tür. Zwei weitere Schüsse schlugen im Türrahmen ein, große Holzsplitter flogen durch die Luft. Sie stürzte in den Flur und verschwand. Ich drehte mich um und sah die Arme eines Mannes durch eins der zerbrochenen Fenster ragen. Mit beiden Händen hielt er einen Revolver. »Mike!«, rief ich.
    »Bleib da unten, Donnie. Ich komme hier nicht durch. Ich gehe durchs Haus, um euch zu holen. In Ordnung?«
    »Nein! Sie ist …«
    »Donnie, ich hab ihr gerade drei Kugeln in die Brust gejagt. Sie ist tot, alles klar?«
    Er verschwand. Ich legte die Arme schützend um Walt, der beide Hände gegen die Ohren presste, und setzte mich auf.
    »Wo ist Opa?«, fragte Walt.
    »Dein Großvater schafft das, er ist stark«, beruhigte ich ihn. Ich hatte sein Gesicht fest an meinen Hals gepresst und hielt ihn so, dass er die Blutlache unter dem Kopf seines Großvaters nicht sehen konnte. »Nicht hinsehen«, knurrte ich unter Schmerzen, als ich mich auf die Füße stemmte, indem ich mich auf die Armlehne des Sessels stützte und uns in die Höhe hievte. Ich konnte nur das rechte Bein belasten, das linke war fast taub vor Schmerz. Ich humpelte ins Halbdunkel auf die offene Tür zu.
    Der Korridor war verwaist. Sie war verschwunden.
    Mein Blick wanderte den langen dunklen Flur entlang. Nichts.
    Officer Hudsons schwarzer BH – die Blutlache unter ihrer nackten Haut.
    Klopf, klopf.
    Die Angst kehrte zurück.
    Die Tür war der einzige Zugang vom Freizeitraum zum Rest des Hauses. Mit Walt auf meinem Arm schleppte ich mich zurück zum Fenster. Die untere Rahmenleiste des engen Schlitzes befand sich auf gleicher Höhe mit meinem Kinn, Glasscherben ragten daraus empor wie spitze Zähne. Etwa hundert Meter entfernt stand der Polizeihubschrauber mit durchlöcherter Cockpitscheibe. In der Ferne, irgendwo über dem Horizont, sah ich einen grauen Streifen im Schwarz der Nacht, einen ersten Vorboten der Dämmerung.
    »Hör zu, Walt, hör mir gut zu«, flüsterte ich. »Du kannst durch das Fenster klettern, ich nicht. Ich möchte, dass du zu dem Hubschrauber hinüberrennst, hineinkletterst und dich dort einschließt. Verstanden?«
    » NEIN! «
    »Pssst, Walt. Bitte. Hör mir zu. Mike ist hier. Du kennst doch Onkel Mike, oder? Er wird sie aufhalten. Aber tu mir jetzt den Gefallen und versteck dich dort, in Ordnung?«
    »Donnie? Walt?« Mikes Stimme kam irgendwo aus dem Haus.
    »Siehst du?«, sagte ich. »Und jetzt beeil dich, Walt, bitte. Und achte auf das Glas.« Ich schob ihn zu dem Fensterschlitz hinauf. Er kroch hindurch und rannte los.
    »Donnie?« Mikes Stimme war jetzt näher, irgendwo unten im Flur.
    Ich schaute Walt nach, bis er den Helikopter erreicht hatte, die

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