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Das Gebot der Rache

Das Gebot der Rache

Titel: Das Gebot der Rache Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Niven
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wenn man verrückt wurde?
    Dann fingen die Wände an zu wackeln, und sie erstarrte.
    Offenbar vernahm sie das seltsame Knattern ebenfalls.
    Mein Herz setzte aus, als ich das Geräusch erkannte, das ich diese Nacht zum zweiten Mal hörte.
    Der Rotor eines Hubschraubers.
    Sie rannte zu den Fenstern. Sechs Stück entlang der gesamten Länge des Freizeitraums, innen auf Kopfhöhe, nach außen hin ebenerdig. Im Prinzip waren es bloß rechteckige Schlitze, zu schmal, als dass ein Mensch hindurchgepasst hätte. Einen Moment lang schien sich das Geräusch wieder zu entfernen, kam dann aber sehr viel lauter zurück. Von dort, wo ich zusammengeschnürt am Boden lag, sah ich, wie ein weißer Lichtstrahl den Nachthimmel durchschnitt und den Boden abtastete.
    Sie knallte das Glas zurück auf den Tisch, ergriff den Revolver und überprüfte die Trommel. Scheinbar uneins mit sich selbst, visierte sie mit ihrem gesunden Auge abwechselnd Walt und die Fenster an, während das Rotorgeräusch dröhnend laut wurde. Würde sie meinen Sohn einfach erschießen?
    »Bitte«, stammelte ich, »das muss die Polizei sein. Vermutlich, weil die anderen sich nicht zurückgemeldet haben. Setzen Sie dem ein Ende, ich … ich werde ni…«
    Sie trat mir mit voller Wucht ins Gesicht. Ich fühlte, wie mir das Blut aus der Nase lief. Verschwommen sah ich, wie sie aus dem Raum rannte.
    »Walt, Walt …«, flüsterte ich meinem Sohn zu, der jetzt unter Tränen in seinen Knebel schrie. Seine Nasenflügel bebten, als er an den Fesseln zerrte – in einem hoffnungslosen Versuch, Abstand zu der Ratte zu gewinnen, die nur Zentimeter von seinen Knöcheln entfernt am Glas kratzte und kurz davorstand, ihr Gefängnis umzukippen.
    »Das ist die Polizei. Das muss sie sein. Sie …«
    In diesem Augenblick konnte ich den Helikopter durchs Fenster sehen, der ungefähr zehn Meter über dem Boden schwebte. Der Wind warf ihn von einer Seite auf die andere, der Schnee war offenbar zu tief für eine Landung. Die Seitentür wurde aufgeschoben und eine Strickleiter herabgelassen. Sie schwang durch den Lichtkegel, schaukelte hin und her, die letzte Sprosse etwa drei Meter über dem Boden baumelnd. Walt und ich sahen zu, wie ein Mann an ihr herabkletterte. Einen Moment lang hing er am Ende der Leiter und ließ sich dann neben dem ersten Hubschrauber in den Schnee fallen. Ein zweiter tat es ihm gleich. Sobald sie sicher am Boden waren, stieg der Helikopter wieder in den schwarzen Himmel auf. Fast gleichzeitig wurde nah am Haus eine automatische Waffe abgefeuert. Wir konnten die Männer rufen hören. Es fielen einzelne Schüsse, erwidert von einer weiteren Garbe der Automatik – eine Schießerei brach aus. Etwas schrammte an der Kellermauer vorbei. Zwei der Fenster barsten nach innen, Glassplitter regneten auf uns herab, und kalte Luft wehte herein.

42
    Die Schießerei hatte aufgehört. Walt schluchzte immer noch leise. Dann hörte ich draußen gedämpfte Stimmen, nah bei den zerbrochenen Fenstern. Als ich gerade um Hilfe schreien wollte, brach ganz in der Nähe ein ohrenbetäubendes Feuerwerk von Automatiksalven los. Unzählige Kugeln schlugen ins Holz und in die Außenwand ein. Jemand schrie auf, Schritte hasteten durch den Schnee, dann herrschte abermals Stille.
    Minuten verstrichen. Ich lag immer noch zusammengeschnürt auf dem Boden, Walt war auf den Billardtisch gefesselt. Als ich versuchte, mich zu bewegen, fuhr ein schwindelerregender Schmerz durch mein linkes Bein. Ich fühlte, wie frisches, warmes Blut aus der Wunde meine Hose durchnässte.
    Ich hörte ein schabendes Geräusch.
    Der Türknauf drehte sich.
    Unter unermesslichen Anstrengungen hob ich den Kopf. Schwer atmend und mit Augen wie Tennisbällen blickte ich zur Tür. Dort stand der alte Sam, in seiner rechten Hand eine Pistole. Völlig entsetzt starrte er uns an.
    »Himmelherrgott«, flüsterte er.
    Sehr viel später sollte ich von dem Privatjet erfahren, den er von einem Filmproduzenten auf Maui gechartert hatte. Eine nagelneue Gulfstream G650, die Einzige auf der Insel, mit einer Reichweite von siebentausend nautischen Meilen, imstande, in nur acht Stunden die gesamte Strecke vom mittleren Pazifik bis Kanada zu fliegen, ohne auftanken zu müssen. Von dem Hubschrauberpiloten, dem Sam eine gigantische Summe gezahlt hatte, um ihn trotz des Sturms hier rauszufliegen. Wenn Geld keine Rolle spielt, ist selbst das Unmögliche möglich.
    »Sam«, sagte ich, während er zum Billardtisch stürzte. Er hob das Messer auf,

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