Das gebrochene Versprechen
mir
aufmachte, war dünn, ein wenig krumm, mit vorzeitiger Stirnglatze; das braune
Haar stand in eigensinnigen Strähnen ab. Er hatte dicke Brillengläser vor den
wässrig-blauen Augen, und seine Haut war sehr blass, als ob er die meiste Zeit
in geschlossenen Räumen verbrächte. Ich dachte schon, ich hätte das falsche
Haus erwischt, denn das hier konnte ja wohl kaum der Exmann der hübschen jungen
Frau sein, die mir Ricky geschildert hatte. Doch dann sagte er: »Ms. McCone?
Bitte, kommen Sie rein«, und mein ohnehin schon widersprüchliches Bild von
Patricia Terriss wurde um eine weitere Facette ergänzt. Das vordere Zimmer des
Bungalows wirkte genauso liebevoll gepflegt wie das Äußere des Hauses:
wunderschön gebeizte Holzbalken und Fensterrahmen hoben sich von weißen Wänden
ab, und der Dielenboden glänzte. Terriss hatte die architektonischen
Gegebenheiten dieses klassischen Hauses zur Geltung gebracht, indem er das
Mobiliar schlicht gehalten und die Wände leer gelassen hatte. Das Ergebnis war
ein gemütlicher Raum, so friedlich wie die Umgebung, und doch interessant und
eindrucksvoll.
Er bat mich, auf einem braunen
Ledersofa Platz zu nehmen, bot mir Kaffee oder einen Drink an, was ich beides
ablehnte, und setzte sich auf die Kante eines Sessels mir gegenüber. Sein
Gesichtsausdruck war wachsam und ein wenig ängstlich, als fürchtete er, ich
könnte schlechte Nachrichten bringen. Das bestätigte auch sein Ton, als er
sagte: »Sie suchen meine Exfrau.«
»Ja. Sie sagten ja am Telefon,
Sie wüssten nicht, wo sie sich derzeit aufhält, aber ich dachte, im
persönlichen Gespräch könnten Sie mir vielleicht doch etwas mitteilen, was mir
einen Anhaltspunkt gibt.«
»Warum? Ich meine, was wollen
Sie von ihr?«
Ich musterte ihn und überlegte,
wie viel ich ihm sagen sollte. Falls er Patricia gegenüber irgendwelche
Beschützergefühle hegte, würde er womöglich die Klappe herunterlassen, wenn er
den wahren Grund meines Interesses erfuhr. Andererseits waren sie geschieden;
sie musste ihn ja wohl verlassen haben, und verlassene Ehemänner sind ihren
Exfrauen selten wohlgesonnen. Ich beschloss, seine Frage zu ignorieren und ein
wenig weiterzubohren.
»Darauf komme ich gleich, Mr.
Terriss, aber... nur interessehalber, wann haben Sie Patricia das letzte Mal
gesehen?«
»Vor über drei Jahren.«
»Da wohnten Sie schon hier?«
»Ja. Sie kam vorbei, weil sie
etwas wollte. Wie üblich.«
»Dann haben Sie sie auch nach
der Scheidung noch getroffen?«
»Eigentlich nicht. Bis zum
Frühjahr vor drei Jahren hatte ich sie nicht mehr gesehen, seit sie mich
achtundachtzig verlassen hatte und nach Austin gegangen war. Aber wir schrieben
uns Weihnachtskarten, und als ich von Fort Worth hierher zog, schickte ich ihr
die neue Adresse. Als sie dann nach L.A. kam, suchte sie mich auf.«
»Warum?«
Jetzt war da ein bitterer Zug
um seinen Mund. »Sie brauchte Geld — warum sonst?«
»Haben Sie’s ihr gegeben?«
»Ja. Meine Exfrau kann ganz
schöne Überredungskünste aufbieten, wenn sie sich was in den Kopf gesetzt hat.«
»Und wann war das?«
»Ende April zweiundneunzig.«
»Und danach...?«
»Habe ich sie noch drei Mal
gesehen. Zweimal brauchte sie ein Dach überm Kopf, das dritte Mal brauchte sie
wieder Geld.«
»Und das letzte Mal war...?«
Er guckte weg, und seine Finger
schlossen sich fester um die Armlehnen des Sessels. »Ende Juni. Danach habe ich
nichts mehr von ihr gesehen oder gehört.«
Ende Juni. Mach langsam, McCone, sei
vorsichtig.
»Sie sagten, sie brauchte ein
Dach überm Kopf. Demnach hatte sie keine feste Wohnung und keinen festen Job?«
Terriss fuhr sich mit der Zunge
über die Lippen. »Ms. McCone, ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie mir jetzt sagen
würden, warum Sie Patricia suchen.«
Ich entschied mich für eine
Halbwahrheit. »Ihre Exfrau hatte eine kurze Affäre mit einem Klienten von mir.
Sie hat ihm deswegen einigen Ärger gemacht, und er möchte, dass ich mit ihr
rede und sie dazu bringe, ihn in Ruhe zu lassen.«
Er nickte, als hätte er etwas
Derartiges erwartet. »Ist Ihr Klient verheiratet?«
»Ja. Ist das bei ihr ein Muster?«
»Scheint so. Ich war
verheiratet, als wir uns kennen lernten. Sie war erstaunlich hartnäckig hinter
mir her. Und als sie mich dann hatte, sorgte sie dafür, dass meine Frau es
erfuhr.« Er lachte bitter. »Natürlich war ich damals völlig hin und weg. Ich
konnte es nicht fassen, dass eine so hübsche Frau mich so sehr wollte. Erst ein
paar Monate
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