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Das gebrochene Versprechen

Das gebrochene Versprechen

Titel: Das gebrochene Versprechen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcia Muller
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der
entgegengesetzten Seite des Grundstücks?«
    »Vielleicht, vielleicht auch
nicht. Ich muss erst noch ausführlich mit Rats reden, sobald ich ihn mal allein
erwische. Und falls ich Forrest Curtin mal in die Finger kriege, ohne dass er
sturzbetrunken oder hoffnungslos bedröhnt ist, will ich ihm auf den Zahn
fühlen, wegen einer möglichen Verbindung zur Terriss, die meine Kollegin in
Austin ausgegraben hat. Ansonsten habe ich keinerlei Ansatzpunkt —«
    »Doch, hast du. Ich wollt’s dir
ja sagen, als du reingekommen bist — ich habe etwas über den Exmann dieser
Terriss rausgefunden.« Er deutete auf den Computer.
    »Was? Wie?« Ich ging um den
Tisch herum und guckte auf das Display. Nichts, außer einem Menü.
    »Setz dich einen Moment hin.
Ich hab’s gleich.«
    Ich setzte mich im
Schneidersitz aufs Bett und sah zu, wie er irgendwelche Dinge eingab, dann las,
was auf dem Schirm erschien, die Maus bewegte, wieder tippte. Das war eine der
Situationen, in denen ich Micks symbiotisches Verhältnis zu seinem Computer
liebte — vor allem, weil er diesen sein Zauberwerk verrichten ließ, ohne von
mir zu verlangen, dass ich mich daran beteiligte. Nach einer Weile zog er einen
Notizblock heran, kritzelte etwas darauf und drehte sich dann zu mir.
    »Und?«, fragte ich.
    Er lächelte, durch und durch
mit sich zufrieden. »Du erinnerst dich, dass die Terriss Dad erzählte, ihr
Exmann schreibe an einer Doktorarbeit in mittelalterlicher Geschichte?«
    »Ja.«
    »Tja, ich habe drüber
nachgedacht und bin ins DIALOG-Dissertationenverzeichnis gegangen. Das gibt
alle Doktorarbeiten an, die seit achtzehnhunderteinundsechzig von einer
amerikanischen Hochschule angenommen wurden. Sie sind nach Thema, Titel und
Verfasser aufgeschlüsselt. Und unter dem Namen Philip R. Terriss fand ich —
Achtung, Konzentration bitte — ›Der schwindende geistige und politische
Einfluss des Heiligen Römischen Reiches auf Europa nach dem Großen Interregnum.
Ein konzeptuell-statistischer Ansatz‹. Kein Wunder, dass diese Frau sich von
ihm gelangweilt fühlte! Aber seine Profs müssen es wohl höchst spannend
gefunden haben; die Arbeit wurde einundneunzig von der Texas Christian
University angenommen.«
    »Gut gemacht! Aber wie kriegen
wir raus, wo Philip Terriss jetzt ist?«
    Mick grinste noch breiter.
»Nicht an der tcu. Dort habe ich
angerufen. Kein Philip R. Terriss im Lehrkörper, und über Exdoktoranden geben
sie keine Auskünfte. Also habe ich drüber nachgedacht, was Akademiker so tun:
Lehren, okay, aber was noch? Und da ist mir dieses Ding mit dem ›publish or
perish‹ eingefallen. Also wieder zurück zu den Datenbanken, und tatsächlich
habe ich eine gefunden, die Aufsätze in wissenschaftlichen Zeitschriften
erfasst, unter anderem im Medieval History Quarterly. Und da war er —
Philip R. Terriss, nach wie vor beim Großen Interregnum, was immer das sein
mag.« Er hielt effekthalber inne. Mick liebte es, die Spannung hinzuziehen,
wenn er besonders clever gewesen war.
    Ich belohnte ihn, indem ich
fragte: »Was? Was?«
    »Der gute Philip R. langweilt
derzeit angehende Historiker am California State College in Long Beach.«
    »Long Beach! Das ist ja
praktisch nebenan!« Ich sprang vom Bett auf und fiel Mick um den Hals. Er schob
mich errötend weg und reichte mir dann den Notizblock. »Hier hast du seine
Privatadresse und -nummer. Viel Erfolg.«
     
     
     
     

20
     
    Philip Terriss wohnte im Norden
von Long Beach, Welten entfernt vom geschäftigen Hafen, den Ölbohrinseln, dem
Kongresszentrum und den Hotels, die entlang der Küste aus dem Boden geschossen
waren. Es war eine ruhige Wohngegend, bestehend aus schmalen, palmengesäumten
Straßen mit überwiegend klassischen kalifornischen Bungalows, erbaut in den
zwanziger und dreißiger Jahren: Holzbauten mit flachgiebligen Dächern und
tiefen Eingangsveranden, wo man an warmen Sommerabenden draußen sitzen konnte.
Die Häuser sahen alle gepflegt aus, aber das von Terriss war makellos, der
blauweiße Anstrich ganz neu, der breite Dachvorsprung mit blütenstrotzenden
Hängeampeln bestückt. Als ich aus dem Wagen stieg, hörte ich das Kreiseln eines
Rasensprengers, und ich roch frisch gemähtes Gras.
    Hinter den heruntergelassenen
Rouleaus des Frontfensters schimmerte Licht; es war kurz nach acht — der
frühestmögliche Termin von seiner Seite — , und die Veranda lag im
Schattendunkel. Ich betätigte den glänzenden Messingtürklopfer und wartete.
    Der Mann im Sweatsuit, der

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