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Das gebrochene Versprechen

Das gebrochene Versprechen

Titel: Das gebrochene Versprechen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcia Muller
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Carolyn, den Opfern, deren
tragischer Tod uns aufgerüttelt hat.«
    Die Menge war jetzt ganz still.
Die Band spielte die ersten Takte von »The People Who Won’t Listen«.
    Hy ging in Habachtstellung.
    »Was ist?«, flüsterte ich.
    »Bewegung da links drüben.«
    Ich ließ den Blick auf Ricky
geheftet, bereit einzugreifen, falls jemand sich ihm näherte.
    »Ist nur ein Junge... Warte,
die Sicherheitsleute haben ihn schon.«
    »Was hat er —«
    »Er ist betrunken, weiter
nichts.«
    Ich ließ langsam den Atem
heraus, beobachtete immer noch meinen Schwager. Die Intensität, die er die
ganze Zeit in Schach gehalten hatte, war jetzt entfesselt. Er bewegte sich zu
dem treibenden Beat, ließ die Finger über die Gitarrenseiten tanzen, begann mit
Power zu singen. Als der Sound emporstieg und von den Hügelhängen widerhallte,
antwortete die Menge mit Gejohle.
    Hy sagte mir direkt ins Ohr:
»Rattray hat arrangiert, dass ich den Security-Chef in ein paar Minuten treffen
kann. Ich laufe eben rüber in ihre Einsatzzentrale, warne ihn, dass es Probleme
geben könnte, und gucke mich dann noch ein bisschen um.«
    »Okay.« Ich drückte seinen Arm,
ehe er vom Podest hinunterglitt. Der nächste Titel war »Cobwebs in the Attic of
My Mind«, der Song, mit dem alles begonnen hatte. Die ersten Takte lösten
begeistertes Kreischen aus. »The Broken Promise Land«, der Hit des letzten
Sommers, brachte die Menge zur Ruhe. Was ich an Gesichtern sehen konnte, wurde
ernst und ergriffen, als Ricky den Song über die Musikindustrie sang.
     
    Sie
sagen dir, dass du der King bist,
    geben
dir, was dein Ego begehrt,
    und
du merkst erst, wenn’s zu spät ist,
    dass
ihnen längst deine Seele gehört.
     
    Welche Ironie, dachte ich, dass
ein so kritischer und bitterer Song über das Business einen Grammy und einen
Country Music Award bekommen hat! Aber ich hätte wetten können, dass kaum ein
Insider die Botschaft wirklich kapiert hatte.
    Während Ricky auf der Bühne
denselben Gefühlen Luft machte, die er auch am Nachmittag in meinem Büro
geäußert hatte, ging mir auf, dass viele seiner neueren Songs von diesen
Elementen geprägt waren: Melancholie, Müdigkeit, Desillusionierung, Entfremdung
und Verlust. Der Preis dafür, dass er versuchte, seine Seele nicht der
Musikindustrie zu verkaufen?
    Das Konzert ging weiter:
mitreißende, leichte Songs im Wechsel mit eindringlich bewegenden. Während
eines meiner Lieblingstitel, »Somebody’s Waiting Tonight«, schwang Hy sich
wieder auf das Podest. »Alles klar?«, fragte ich.
    »Die Sicherheitsvorkehrungen
sind besser, als ich dachte. Die Firma ist auf Konzerte spezialisiert; ich habe
mir ein paar Sachen abgeguckt, und sie sind willens, uns zu beraten, falls wir
ihn auf der Tour schützen müssen. Verdammt, wenn das nur nicht schon nächste
Woche losginge.«
    »Aber du kannst es trotzdem
übernehmen?«
    »Klar, wird ihn nur ganz schön
was kosten.«
    »Dann sollte ich besser schnell
rausfinden, wer hinter den Briefen steckt. Ich möchte nicht, dass Ricky die
Ausbildungskonten für die Kinder antastet, und die Sache mit Charlene könnte
teuer werden.«
    »So ist sie mir nie
vorgekommen.«
    »So war sie auch nie, aber wer
weiß? So ein Lebensstil kann jeden verändern.«
    »Was glaubst du, was da bei ihr
vorgeht? Ich dachte immer, ihr beide steht euch so nah?«
    »Ich auch. Aber ich werd’s wohl
nicht erfahren, wenn ich nicht tue, was er sagt, und sie frage.«
    Der Song war zu Ende, und die
Leute standen jetzt wieder. Jubel brandete heran wie eine Flutwelle. Ricky
wartete, hob dann wieder die Hände. Als Ruhe einkehrte, wartete er eine ganze
Weile ab. Trotz der blendenden Scheinwerfer schien er jedes einzelne Gesicht zu
studieren. Als er das Mikro ergriff, war seine Stimme tief bewegt.
    Er sagte: »Der nächste Titel
ist für Charly. Ich schätze, ab jetzt wird er immer für Charly sein.«
     
    Fenster
zu und Tür abschließen,
    unsre
Liebe ist passé.
    Brötchen,
Zeitung abbestellen,
    Vielleicht
hilft’s ja, wenn ich geh...
     
    Der Song hieß: »The
House Where Love Once Lived«.
    »O Gott«, flüsterte ich und
guckte weg. »Er war doch immer nach außen hin so diskret. Warum tut er das?«
    Hys Arm umfasste meine
Schultern fester. »Etwas öffentlich herauszulassen, hilft einem manchmal zu begreifen,
dass es wirklich wahr ist. Armer Kerl.«
    Als die letzten Töne des Songs
von den Hängen widerhallten, flippte das Publikum aus — es applaudierte lauter
und länger denn je. Als ob die Leute

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