Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das gebrochene Versprechen

Das gebrochene Versprechen

Titel: Das gebrochene Versprechen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcia Muller
Vom Netzwerk:
der
Grundaufteilung abgesehen, war Jamies Zimmer genau das Gegenteil des Zimmers
ihrer Schwester: in einem sonnigen Gelb gehalten, mit farbenfrohen
Webteppichen. Eine Wand war ein riesiges Pinboard, bedeckt mit Schichten und
Aberschichten von Fotos, Postkarten, Postern, Einladungen, Zeichnungen. An der
Rückseite der Badezimmertür hing ein lebensgroßes Faltplakat von Ricky, von
seiner Broken Promise Land-Tour; Schnurr- und Kinnbart sowie
Teufelshörner waren von Hand eingezeichnet, ebenso diverse Ohrringe und ein
Knochen durch die Nase. Überall lag Krempel herum: Bücher, Kassetten,
Klamotten, Sportzubehör, Stofftiere.
    Als ich auf ihr »hierein«
eingetreten war, hatte Jamie auf dem Bett gelegen und Rapmusik gehört. Sie
stellte sie hastig leise, stand auf und rannte ins Bad. Einen Moment lief
Wasser, dann kam sie wieder herein, mit frisch gewaschenem Gesicht, aber
unübersehbar geröteten und verquollenen Augen. Ihr Gesichtchen wirkte traurig
und verloren unter dem Mopp von dauerwellmisshandeltem braunen Haar. Sie setzte
sich wieder aufs Bett und stellte den CD-Spieler per Fernbedienung aus.
    »Wie geht’s?«, fragte ich,
während ich ein paar Sweatshirts von einem Sessel nahm und mich setzte.
    Sie zuckte die Achseln und
lächelte melancholisch.
    Das beunruhigte mich; Jamie war
immer das extrovertierteste der Kinder gewesen, kaum in ihrem Redefluss zu
bremsen.
    »War dein Geburtstag schön?«
    »Ganz okay. Danke für den
Scheck.«
    »Gab’s eine Party?«
    »Ja, aber mittendrin tauchte
dieser Security-Typ auf und Mom fing an, Schreianfälle zu kriegen.«
    »Ganz schön hart, so
eingesperrt zu sein.«
    »Allerdings — und alles nur,
weil Dad irgendwelche Dummheiten gemacht hat.«
    »Wie kommst du darauf?«
    »Das sagt Mom.« Sie hielt kurz
inne. »Aber na ja, Mom sagt zur Zeit einen Haufen Scheiß, und man weiß nie, was
stimmt. Sind sie immer noch in ihrem Zimmer und streiten?«
    »Ich weiß nicht.«
    »Ich wette.« Sie ballte die
Fäuste und hieb damit auf ihre bejeansten Knie. »Ich hasse das! Wenn sie’s doch
nur durchziehen und sich, verdammt nochmal, scheiden lassen würden!«
    Ich zögerte, unwillig, mich in
intime Familienangelegenheiten zu mischen. Sagte mir dann aber, dass meine
Nichte es dringend nötig hatte, darüber reden zu können, und dass außerdem die
Savages auch meine Familie waren. »Meinst du, das kommt wirklich in Betracht?«
    »Was denn sonst?«
    »Wieso?«
    Sie schwieg und ihr Blick glitt
weg.
    »Jamie?«
    »...Ach, okay. Mom hat einen
anderen — diesen Vic, den sie letztes Jahr kennen gelernt hat, als er
Gastdozent an ihrer Fakultät an der Uni war. Er ist der Boss von einem dieser Riesenmonstergeldfonds,
und sie machen irgendwas in China und er will, dass Mom mit ihm nach Peking
reist. Ich glaube, sie wird’s tun, und das wird ihrer Ehe endgültig den Rest
geben.«
    »Liebt sie diesen Vic?«
    »Ich glaub schon. Sie hat seit
Monaten dauernd irgendwelche Heimlichkeiten, und Dad war schon misstrauisch. An
dem Morgen, bevor er nach San Francisco geflogen ist, hat sie’s ihm endlich
gesagt. Jetzt hat sie Angst, was er tun wird, und deswegen macht sie uns das
Leben zur Hölle.« Jamie hielt inne, außer Atem und wohl auch schockiert, weil
sie das alles einfach herausgeblubbert hatte.
    Sie wusste allerdings eine
Menge über die Affäre meiner Schwester, aber irgendwie konnte ich mir nicht
vorstellen, dass Charlene eine Fünfzehnjährige ins Vertrauen zog. »Wie hast du
das alles rausgefunden?«, fragte ich.
    Sie schlug die Augen nieder und
zuckte die Achseln.
    »Ich sag’s nicht weiter.«
    »Versprochen?«
    »Versprochen.«
    »Na ja, ich habe eine schlechte
Angewohnheit.«
    »Und die wäre...?«
    »Anderer Leute Telefongespräche
mitzuhören.« Sie sah auf und setzte defensiv hinzu: »Nur manchmal. Nur wenn sie
über was reden, was ich wissen muss.«
    »Und du musstest wissen —«
    »Warum meine Mutter unser
ganzes Leben kaputtmacht? Ja, Tante Shar, das musste ich wissen.«
    Ich müsste sie zurechtweisen,
dachte ich. Aber da war etwas dran. Und außerdem, wie käme gerade ich dazu? Ich
hatte einen Beruf daraus gemacht, in anderer Leute Leben herumzuschnüffeln.
»Jamie...«, setzte ich an.
    »Ich weiß, das tut man nicht.
Das sagt sogar Chris, und die hat selbst hunderttausend schlechte
Angewohnheiten.«
    »Chris weiß, was du getan
hast?«
    Sie nickte.
    »Wem hast du’s sonst noch
gesagt?«
    »Keinem. Mick ist zu weit weg
und hat irgendwie nicht mehr viel mit uns zu tun. Und die

Weitere Kostenlose Bücher