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Das gebrochene Versprechen

Das gebrochene Versprechen

Titel: Das gebrochene Versprechen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcia Muller
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kann’s nicht benennen,
aber —«
    Eine untersetzte Frau in einem
schlichten, uniformähnlichen blauen Kleid trat ins Zimmer; ihre hohe Stirn
krönten weiße, um den Kopf gewundene Zöpfe. Ihre Lippen verzogen sich zu einem
zaghaften Lächeln.
    »Ah, Nona.« Hy glitt von seinem
Hocker und winkte sie heran. »Das ist Mrs. Savages Schwester, Sharon McCone.«
Und zu mir sagte er: »Mrs. Nona Davidson, die Dame, die diesen Laden hier am
Laufen hält.«
    Ich gab der Haushälterin die
Hand. Sie sagte: »Chris lässt Ihnen sagen, sie hätte gern, dass Sie mal auf ihr
Zimmer kommen, wenn es Ihnen passt.«
    Das erstaunte mich. Charlenes
und Rickys älteste Tochter hatte sich nie besonders zu ihrer Tante Sharon
hingezogen gefühlt; der kühle, blonde Teenager schien mich allenfalls
exzentrisch und ein bisschen abtörnend zu finden. »Ich wollte gerade
raufgehen«, sagte ich, »aber ich fürchte, Sie müssen mir den Weg zeigen. Die
Architektur dieses Hauses verwirrt mich ein wenig.«
    Nona Davidson lächelte
mitfühlend. »Ist auch eine merkwürdige Anlage. Ich bringe Sie gern hin.«
     
    Chris’ Zimmer passte zu ihrem
kühlen Äußeren: ein heller, weißer Raum mit großen Fenstern zum Pool, das eine
Ende dominiert von einem Bett mit einer Schachbrettkaro-Tagesdecke, das andere
von einem Schreibtisch nebst Computerarbeitsplatz. Alles sehr minimalistisch
und Hightech, keine Spur von dem üblichen Teenager-Krimskrams. Meine Nichte saß
in einem Regiestuhl und rauchte, die langen, stretchumhüllten Beine auf einem
zweiten Stuhl. Sie musterte mich schmaläugig durch den Rauch und machte, obwohl
Rauchen von ihren Eltern verboten war, keinen Versuch, die Zigarette zu
verstecken. Lediglich das leichte Zittern ihrer Finger, als sie die Zigarette
zum Mund führte und den Rauch inhalierte, verriet eine beträchtliche
Anspannung.
    »Tante Shar«, sagte sie und
zeigte auf das Bett, »bitte, setz dich.« Ich kickte meine Sandalen weg und
setzte mich mit untergeschlagenen Beinen aufs Bett. »Na, was gibt’s?«
    Sie lächelte matt. »Was gibt’s
in diesem Hause nicht? Irgendein Verrückter oder eine Verrückte ist hinter Dad
her. Dein Freund kommandiert uns herum, als wären wir bei den Marines. Mom ist
total ausgerastet. Dad ist mit Mom zusammengerasselt, kaum dass er durch die
Haustür war. Und Jamie ist auf ihrem Zimmer und kotzt und heult. Aber sonst ist
alles super.«
    »Und du? Wie stehst du das
durch?«
    »Ich? Ich war den ganzen
Nachmittag online, im Teenager-in-Nöten-Forum des Techno-Web. Nein«, setzte sie
rasch hinzu, »ich habe nichts von der Geschichte mit Dad rausgelassen; Hy hat
uns vergattert, das ja nicht zu tun.«
    »Konnten dir die Leute im Forum
irgendwie helfen?«
    »Bisschen.« Sie zögerte. »Der
Punkt ist, ich weiß, dass ich’s überstehe. Ich weiß, dass Spinner nun mal zu
Dads Job gehören. Und ich weiß auch, warum er und Mom streiten.« Angesichts
meiner hochgezogenen Brauen nickte sie. »Ja, ich weiß es. Man kann nicht umhin,
gewisse Dinge mitzukriegen. Ihre Streitereien, Moms geflüsterte Telefonate,
ihre ganzen idiotischen Vertuschungsversuche. Wir sind nicht taub und blind,
Jamie und ich. Wir wissen, dass sie sich mit jemandem trifft, und jetzt, wo
sie’s Dad gesagt hat, flippt er aus. Aber was sie nicht kapieren, ist, dass wir
dabei auch ausflippen.«
    »Aber du sagst doch, du wirst
es überstehen?«
    Sie stand auf, holte einen
Aschenbecher, drückte ihre Zigarette aus, zündete sich sofort eine neue an.
»Ja, werde ich auch. Ich bin nicht wie Jamie, so weich und empfindlich. Und ich
bin auch nicht wie Mom oder Dad. Oder wie Mick oder Molly oder Lisa oder Brian.
Weiß der Himmel, nach wem ich schlage, aber —« Sie brach ab und sah mich an, vergaß
die Zigarette vollends zum Mund zu führen. »Hm«, sagte ich.
    »Na ja, vielleicht.«
    »Ganz sicher. Was glaubst du,
warum wir nie so besonders dicke Freundinnen waren? Ich fühle mich immer unwohl
mit Menschen, die mir zu ähnlich sind, und ich wette, dir geht es genauso.«
    »Hm.« Sie überdachte meine
Worte. »Na ja, dann weißt du ja, dass ich’s überstehen werde. Aber warum ich
mit dir reden wollte: Ich dachte — meinst du, du könntest irgendwas tun, um
Jamie zu helfen?«
    »Geht’s ihr so schlecht?«
    »Ja, ziemlich mies.«
    Ich stand auf und angelte mit
den Zehen nach meinen Sandalen. »Ich werd’s versuchen. Zeig mir ihr Zimmer,
okay?«
    Als Chris mich vor Jamies Tür
verließ, drückte sie zögernd meine Hand.
    Von der Größe und

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