Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das gebrochene Versprechen

Das gebrochene Versprechen

Titel: Das gebrochene Versprechen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcia Muller
Vom Netzwerk:
Glück haben würde.
    Gott, dachte ich, als ich mich
dem Studio näherte, wäre es nicht toll, wenn wir alle einfach aus Eiern
schlüpfen würden und uns nie mit so etwas wie einer Familie herumschlagen
müssten? Dieser Gedanke war mir schon mehr als einmal gekommen.
    Das Studio war ein hell
verputzter Bau im selben Stil wie das Haus, eingebettet in einen Pinienhain
jenseits des Tennisplatzes. Als ich durch die Tür trat, schlug mir dröhnende
Musik entgegen — »The Midnight Train to Nowhere«. Ricky, sein Lead-Gitarrist
Norm O’Dell und der Bassist Forrest Curtin standen mit gesenkten Köpfen um die
Anlage herum und lauschten aufmerksam einem Band. Ricky bedeutete mir, dass sie
gleich fertig seien.
    »Da war’s, Norm«, sagte er,
stoppte das Band und spulte zurück. »Dieses Riff, das Timing stimmt nicht.«
    O’Dell zog die Stirn in
Konzentrationsfalten, als Ricky die Passage noch einmal ablaufen ließ. O’Dell
war ein kräftiger Mann mit einem üppigen grauen Bart, gut zehn Jahre älter als
mein Schwager. »Yeah, jetzt hör ich’s«, sagte er. »Bei dem Konzert hab ich’s
genauso vermurkst. Verdammt!«
    »Und da«, sagte Ricky zu
Curtin, »ist der Bass daneben. Klingt breiig.«
    »Hm, stimmt.« Curtin, ein
Baby-Face mit Pferdeschwanz und einem goldenen Ohrring, nickte.
    Auch wenn ich nicht schon von
Hy gewusst hätte, dass sie gekokst hatten, hätte ich es vermutet: Rickys
Sprechweise war ungewöhnlich schnell und abgehackt; O’Dell konnte die Hände
nicht stillhalten; Curtin klopfte dauernd mit dem Fuß auf den Boden und
schnippte mit den Fingern. Ricky hielt das Band wieder an, spulte erneut
zurück, ließ die Passage noch zweimal durchlaufen. Dann drückte er die
STOPP-Taste und schaltete die Anlage aus.
    »Wir fangen gleich morgen früh
an«, sagte er. »Ist vielleicht die letzte richtige Session, ehe wir auf Tour
gehen.«
    »Werd noch bisschen zu den
anderen raufgehen«, sagte Curtin, »paar Drinks einwerfen, bevor ich mich aufs
Ohr haue.« Auf dem Weg nach draußen lächelte er mich schüchtern an.
    O’Dell zögerte sichtlich, ihm
zu folgen. »Äh, Rick, ich hab da noch eine Frage.«
    »Klar, was?«
    »Dieser Schuss da, heute Abend-«
    »Wie Hy sagt, vermutlich ein
unfähiger Wilderer. Wir haben hier jede Menge Wild auf dem Gelände.«
    »Aber diese ganzen
Security-Leute... Die hattest du doch vorher nie hier. Ich frag mich, ob da
nicht irgendwas läuft, was wir wissen sollten.«
    »Norm, die verschärften
Sicherheitsmaßnahmen sind nur ein Experiment — ein Versuch, zu dem mich Shars
Freund überredet hat. In einer Woche sind die Leute vermutlich wieder weg.«
Rickys Sprechweise war jetzt noch abgehackter, als ob dahinter mühsam
gezügelter Zorn steckte.
    O’Dell sah ihn kurz an und
nickte dann. »Na ja, dann genehmige ich mir jetzt auch noch einen kleinen
Absacker.« Er schlurfte aus dem Studio, krummschultrig, den massigen Kopf
gesenkt.
    Ricky sah ihm mit
zusammengekniffenen Augen nach und seufzte, als die Tür zufiel. »Erst Ethan,
jetzt er.«
    »Amory hat dich angehauen?«
    »Hat mich oben im Haus
gelöchert. Hätte einen guten Staatsanwalt abgegeben, so,wie er einen mit seinen
Fragen in die Enge treibt.«
    »Hast du ihm was gesagt?«
    »Shit, natürlich nicht.«
    »Gut. Aber was die Band
betrifft — sollten die’s nicht erfahren?« Er schüttelte den Kopf.
    »Wie? Denen traust du auch
nicht?« Mir war vorher schon der Gedanke gekommen, ob er vielleicht ein
bisschen paranoid war. »Das hat nichts mit Vertrauen oder Misstrauen zu tun, Shar.«
Er begann, um die Anlage herumzuwandern, Schalter an- und auszuknipsen.
    »Womit dann?«
    »Erinnerst du dich an meine
alte Band — die Jungs aus Bakersfield?« Ich nickte unwirsch, weil ich es eilig
hatte, auf seine Töchter zu sprechen zu kommen und ihn einige
ermittlungsrelevante Dinge zu fragen.
    »Na ja, das war ein völlig
anderes Verhältnis. Wir waren zusammen aufgewachsen, waren Freunde. Aber als
ich’s dann geschafft hatte, beschloss einer von ihnen, es allein zu versuchen,
zu beweisen, dass er’s auch schaffen konnte. Ein anderer wurde von seiner Frau
überredet, seinen Brotjob beizubehalten. Und als Dan dann vor zwei Jahren bei
diesem Unfall umkam und Benji sechs Monate später durch eine Überdosis, da
war’s damit zu Ende. Ich werde nie wieder so mit irgendwem zusammenarbeiten.
Die Jungs hier, das sind Angestellte — handverlesen, die Besten in ihrem Job.
Klar, da ist eine gewisse Kumpelhaftigkeit, aber es gibt Dinge, die man

Weitere Kostenlose Bücher