Das gebrochene Versprechen
verschwenden keine Zeit, in der das Studio an einen
zahlenden Kunden vermietet werden kann. Und genauso, wenn wir auf Tour sind:
Wir sind Profis.«
Ich nutzte O’Dells unverhoffte
Gesprächigkeit, um ihn zu fragen: »Sind Sie schon lange mit Ricky unterwegs?«
»Ein paar Jahre.«
»Und Sie kommen aus Montana?«
»Hm.«
»Wie kamen Sie zu Ricky?«
»Ich war mit seinem Gitarristen
befreundet, Dan — der Typ, den es mit dem Motorrad erwischt hat. Ich habe die
Connections genutzt, könnte man sagen.« Sein fleischiges Gesicht spiegelte
Unbehagen; O’Dell sprach gern über die Arbeit, aber nicht über persönlichere
Dinge. Mit spürbarer Erleichterung blickte er jetzt auf und rief: »Hey, Jer,
Forrest.«
Jerry Jackson und Forrest
Curtin kamen über die Terrasse auf uns zu. Der Drummer, klein und gedrungen,
mit wilden rotblonden Locken, grinste fröhlich und nahm einen tiefen Zug von
seinem Joint. Der Bassist mit dem Pferdeschwanz sah furchtbar aus, vermutlich
hatte er kein Auge zugetan. Er legte sich bäuchlings auf die Liege zu meiner
anderen Seite und stöhnte.
Jackson setzte sich an mein
Fußende und bot mir den Joint an. Ich schüttelte den Kopf und dachte, ob er es
wohl gewesen war, der den Mädchen das Gras gegeben hatte. O’Dell warf ihm einen
missbilligenden Blick zu und sagte: »Deine Raucherei wird Rick gar nicht
gefallen, wenn wir nachher noch proben wollen.«
»Ich wette fünfzig zu eins,
dass daraus nichts mehr wird. Und wenn, dann ohne Keyboarder. Pete geht. Das
Ganze hier macht ihn fertig.«
»Das wird Rick erst recht nicht
gefallen.«
Jackson zuckte die Achseln.
»Dumme Sache. Pete hat seine schwangere Frau droben in Santa Monica, das Kind
kann jede Minute kommen. Gibt nichts Schlimmeres für ihn, als hier rumzusitzen
und auf Rick zu warten, während der sich mit Charly fetzt. Wenn Rick proben
will, soll er erst mal in seinem Haus Ordnung schaffen und dann einen Neuanfang
machen, von dem wir auch was haben.«
»Hör auf damit, Jer. Die Lady
hier ist Charlys Schwester.«
»Ich weiß. Und es tut mir Leid,
aber ich muss es mal so sagen, wie ich’s sehe«, sagte Jackson, zu mir gewandt.
»Ricks Ehe geht gerade in die Binsen, okay, aber das haben wir alle mal
durchgemacht, auf die eine oder andere Art, das darf die Arbeit nicht
beeinträchtigen. Und seine Auftritte gehen auch den Bach runter: Freitagabend
hat er bei ›Broken Promise Land‹ den Text durcheinander gebracht, und als ich
ihn drauf hingewiesen habe, hat er mich angeblafft. Das Gelände hier wimmelt
von Security-Leuten, und er sagt uns nicht, warum. Und wir wissen alle verdammt
genau, dass Rats nicht von einem Wilderer angeschossen wurde.«
Curtin sagte in die
Schaumstoffauflage hinein: »Er hat Recht, Norm. Rick sagt uns nicht die
Wahrheit, und eine der ungeklärten Fragen ist, warum seine Schwägerin, eine
bekannte Privatdetektivin, ausgerechnet dieses Wochenende hier verbringt.«
O’Dell sah mich an. »Stimmt
das?«
»Ja, ich arbeite als
Privatdetektivin.«
»Ermitteln Sie in einer Sache
für Rick?«
Ich schwieg. Ricky hatte
gesagt, über manche Dinge rede man nicht mit Leuten, die für einen arbeiteten.
Andererseits war es nicht in Ordnung, eine Serie von Drohungen vor Leuten
geheim zu halten, die vielleicht davon betroffen waren.
»Hören Sie«, sagte ich, »können
Sie Pete dazu bewegen, noch eine Weile hier zu bleiben? Ich rede mit Ricky,
vielleicht kann ich ihn ja dazu bringen, ein paar Dinge zu klären.« Ich stand
auf und ging zum Haus.
Jackson rief mir hinterher:
»Versuchen Sie’s in einem von den Gästezimmern. Bei Charly ist er todsicher nicht.«
Aber er war bei ihr — in der
schönen hellen Naturholzküche. Sie trug ein langes, weißes Baumwollnachthemd,
in dem sie kindlich und verletzbar aussah. Er trug die zerfransten Shorts und
das T-Shirt von gestern Abend, und ärgerliche Falten durchzogen sein
attraktives Gesicht. Sie standen sich wie zwei Kampfhähne gegenüber und warfen
sich bittere Worte an den Kopf.
»Für das alles kann ich doch
nichts!«, rief er gerade, als ich an der Tür stehen blieb. »Gib mir nicht die
Schuld an deinen schlechten Manieren!«
»Schlechte Manieren! Du redest,
als hätte ich bei einem deiner Preisverleihungsdinners die falsche Gabel
benutzt.«
»Verdammt nochmal, wenn du
jetzt eine Gabel hättest, würdest du sie mir in den Rücken bohren.«
Ich wollte mich zurückziehen;
mein Magen krampfte sich zusammen. Kein Wunder, dass Jamie sich so oft
übergeben musste!
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