Das gebrochene Versprechen
lehnte
in der Tür und fühlte sich als Zeuge dieser Szene sichtlich unwohl.
»Little Savages, in Arizona.
Dorthin geht er immer, wenn wir... Er sagt, das ist der einzige Ort, an dem er
sich zu Hause fühlt. Er wollte dieses Haus hier, aber jetzt, wo es fertig ist,
hasst er es.«
Ich sah Hy an. Er fragte sie:
»Was für eine Landebahn hat er dort? Kann da ein Jet landen?«
»Ein kleiner, ja.«
»Gut. Ich lasse von unserem Büro
in Phoenix aus ein Security-Team einfliegen. Sie werden Stunden vor ihm da
sein. Er hat doch mal erwähnt, dass sein Tonmeister dort wohnt.«
»Ja, Miguel Taylor. Er ist so
eine Art Wüstenratte. Er hat das Land entdeckt und Ricky überredet, es zu
kaufen. Jetzt liebt Ricky die Weite dort genauso wie Mig.« Ihr müdes Gesicht
wurde noch melancholischer.
»Lässt Taylor mein Team aufs
Gelände, wenn Kurt ihn anruft und es ihm sagt?«
»Ja, bestimmt, und wenn Mig
nicht da ist, gibt es noch einen Verwalter. Wo ist Kurt eigentlich?«
»In Rickys Büro. Er hat
versucht, ihn übers Autotelefon zu erreichen, und er hat auch herumtelefoniert,
für den Fall, dass Ricky sich inzwischen bei irgendwem gemeldet hat.«
Charlene sah Hy hinterher, wie
er den Raum verließ, dann wandte sie sich wieder mir zu. Erneut kamen ihr die
Tränen, und sie wischte sie ärgerlich fort. »Ich weiß nicht, wieso ich nicht
aufhören kann zu heulen«, sagte sie. »Ich hab doch gekriegt, was ich wollte.«
»Können wir jetzt drüber
reden?«
Sie seufzte und begann, eines
der nassen Papiertaschentücher in kleine Stücke zu zerrupfen. »Warum nicht? Du
wusstest schon, dass ich Ricky verlassen will?«
»Ja, und auch, dass da ein
anderer Mann im Spiel ist.«
»Und du findest es mies.«
»Das hab ich nicht gesagt.«
»Es schockiert dich, stimmt’s?«
In unserer Jugend hatte es
Charlene immer ein perverses Vergnügen bereitet, wenn sie ihre ältere Schwester
mit irgendetwas schockieren konnte. Im ersten Moment ärgerte es mich, dass sie
das immer noch für möglich hielt. Ich sagte sarkastisch: »Nichts, was von dir
oder irgendjemandem aus der Familie kommt, kann mich noch schockieren.« Als ich
ihren betroffenen Blick sah, milderte ich es etwas ab. »Hör zu, du hast nichts
Besonderes gemacht. Ma hat sich monatelang mit Melvin getroffen, bevor sie Pa
um die Scheidung bat. John hat Karens Auto in die Luft gejagt, als sie ihn
verlassen hatte; es war reines Glück, dass sie nicht drin saß. Joey hat sein
Leben zwischen Kneipe und Knast zugebracht. Patsys Kinder haben alle
verschiedene Väter, und keinen davon hat sie je geheiratet. Und meine
Geschichte ist auch nicht ohne dunkle Flecken, man sieht sie nur nicht gleich.«
»Du hast Pa ausgelassen.«
»Soll ich ihn in die Liste
aufnehmen, nur weil er manisch-depressiv ist und sich in der Garage versteckt,
wenn es ihm schlecht geht, und die Nachbarn mit unanständigen Gesängen
verschreckt, wenn er gut drauf ist?«
Charlene brachte ein mattes
Lächeln zustande. »Na ja, was da auch immer bei mir schief läuft, es ist
vermutlich genetisch. Wo wir gerade bei der Familie sind — weiß einer von
ihnen, dass du hier bist?«
»Ich hab’s nicht mal John
gesagt. Mein Besuch hier ist rein beruflich.«
Sie seufzte. »Gut. Ich habe
keine Lust, es Ma beizubringen. Sie wird entweder sagen: ›Ich hab dich ja
gleich gewarnt, dass das nicht gut geht, damals, als er dich geschwängert hat‹,
oder aber sie ergreift Partei für Ricky.«
»Hier geht’s doch nicht darum,
Partei zu ergreifen.«
»Versuch das Ma zu erklären.«
Das war eine Aufgabe, der ich
mich nie gewachsen fühlen würde. Ich ging nach nebenan in die Küche, um mehr
Kaffee zu holen, und als ich wiederkam, sagte ich: »Ich muss dich was fragen.
Ich habe euren Streit vorhin gehört. Du hast etwas erwähnt, was vor drei Jahren
war, und den Namen einer Frau — Patricia Terriss. Wer ist das?«
Charlene wandte den Kopf ab.
»Ich frage nicht bloß aus
Neugier«, fügte ich hinzu. »Eine Frau, mit der er... vor drei Jahren für kurze
Zeit etwas hatte, könnte hinter all diesen Drohungen stecken.« Und ich erzählte
ihr in groben Zügen von meiner Unterhaltung mit Arletta James.
Als ich fertig war, sah
Charlene sehr blass aus. Sie starrte vor sich hin und betastete abwesend die
Schwellung in ihrem Gesicht, wo Ricky sie geschlagen hatte. Nach einer kurzen
Pause sagte sie: »Ich hab mir schon gedacht, dass eine Frau dahinter steckt. Er
war mit ihr nur das eine Wochenende in Texas zusammen?«
»Das hat er Letta
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