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Das gebrochene Versprechen

Das gebrochene Versprechen

Titel: Das gebrochene Versprechen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcia Muller
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Jamie?«
    »Im Moment gerade mit Jamie.
Jedenfalls hoffe ich, dass sie reden. Sie ist regelrecht über ihn hergefallen —
physisch.«
    »O nein!«
    »Ich fürchte, ich hab’s
unwillentlich provoziert. Aber er ist prima mit ihr umgegangen.«
    »Er kann es gut mit den
Kindern, besser als ich, ehrlich gesagt.« Ihr Blick kehrte sich nach innen.
    Ich sagte: »Ich muss dich was
fragen. Hat Ethan Amory sich je an dich herangemacht?«
    »Oh, klar. Eine Zeit lang hat
er es jede Woche versucht.«
    »Aber du hast nie —«
    »Natürlich nicht. Ethan ist in
der Rolle des Verführers schwer ernst zu nehmen.« Sie begann, mit den nassen
Fingern Muster auf die Fliesen der Poolumrandung zu malen. »Ethan ist kein
besonders sinnlicher Mensch; was ihn interessiert, sind Macht und Geld. Aus
irgendeinem Grund glaubte er, ich hätte großen Einfluss auf Ricky, und er wollte
mich haben, um ihn über mich manipulieren zu können.«
    »In welche Richtung?«
    »Dahin, mehr Konzerte zu geben,
mehr und immer noch mehr Geld einzufahren. Je mehr Ricky verdient, desto mehr
juristischen Beistand braucht er, desto höher sind Ethans Honorare. Und jetzt,
bei dem neuen Label, kriegt er natürlich auch noch von allem einen Anteil. Als
ich mich geweigert habe, sein Spiel mitzuspielen, fing er an sich zu rächen.«
    »Inwiefern?«
    »Ach, nichts, was ich nicht
hätte wegstecken können. Bemerkungen hauptsächlich. Einmal hat er absichtlich
so ein Chaos gestiftet, dass ich ein wichtiges Bankett der Musikbranche
verpasst habe, und mich dann bei Ricky deswegen angeschwärzt. Ich sage dir,
Shar, hinter dieser Südstaatengentleman-Fassade steckt ein ganz schön fieser
Zeitgenosse.«
    Ich würde mir die
Hintergrundinformationen, die Keim zu Amory zusammengestellt hatte, genau
angucken müssen — und ich musste Rae vor ihm warnen. Ich fragte Charlene: »Und
Kurt?«
    Sie lächelte. »Meinst du, ob er
sich je an mich herangemacht hat? Nie und nimmer. Kurt hat eine väterliche
Ader; wenn’s um mich geht. Nicht, als spielte er nicht dieselbe Sorte Spielchen
wie Ethan. Er ist ein erstklassiger Manager, und zu diesem Job gehören nun mal
nicht nur sympathische Eigenschaften. Aber Ricky ist seit Jahren bei ihm, und
in der ganzen Zeit hatte ich nie das Gefühl, dass Kurt ihn so aussaugt wie die
anderen Parasiten.«
    »Mit ›die anderen Parasiten‹
meinst du Ethan und...?«
    »Rickys Booking-Agenten, seinen
Produzenten, seine PR-Managerin, die Leute beim Label, die Konzertveranstalter,
die Band, Virgil Rattray. Die wollen alle ihren Teil von ihm, und sie zerren
alle in verschiedene Richtungen. Manchmal habe ich das Gefühl, sie zerreißen
ihn noch.«
    Diese Worte führten mir noch
eine unbekannte Facette des Lebens meiner Schwester vor Augen. Ich stellte mir
vor, wie einsam sie sich all die Jahre gefühlt haben musste, wie ohnmächtig
gegenüber dieser riesigen macht- und geldgierigen Industrie, die in ihr, ihren
Kindern und selbst ihrem talentierten Mann nur Objekte sah, die man benutzte
und dann wegwarf. Und ich wollte, ich hätte es schon viel früher begriffen und
wäre für sie da gewesen.
    Sie hatte jetzt wieder diesen
melancholischen, nach innen gerichteten Blick. Ich fragte: »Was ist?«
    »Hinterher ist man immer
klüger. An einem Punkt wie diesem erkennt man so leicht, wo man was falsch
gemacht hat. Weißt du noch, wie ich mit Lisa schwanger war? Da warst du hier
unten zu einem Kongress, und ich habe Ma und Pa besucht. Du hast gemerkt, dass
ich nicht glücklich war.«
    Ich erinnerte mich vage, aber
damals war ich so mit der Scheidung meines Bruders John beschäftigt gewesen,
mal ganz abgesehen von dem Mord, der während des Kongresses geschehen war. »Red
weiter.«
    »Na ja, in Wirklichkeit ging es
mir miserabel. Ricky liebt unsere Kinder, aber nach Jamies Geburt sagte er,
vielleicht sollten wir’s bei dreien belassen. Ich war’s, die drauf gedrängt
hat, noch mehr zu kriegen; sie waren mein Mittel, ihn zu halten. Verstehst du,
es hatte bis dahin immer so gut geklappt; er war abgehauen, aber er war immer
wieder zu mir zurückgekommen. Aber dann, nach Molly, wollte er wirklich kein
Kind mehr. Als ich ihm gesagt habe, dass ich wieder schwanger sei, ist er
gegangen. Er kam wieder, als Lisa da war, und er liebt sie genauso wie die
anderen. Aber mir wurde damals klar, dass er wegen der Kinder immer wieder
zurückgekommen ist, nicht meinetwegen. Und da fingen wir an, auseinander zu
driften.«
    Ihre Jüngste hatte im Oktober
ihren achten Geburtstag

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