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Das Geburtstagsgeschenk

Das Geburtstagsgeschenk

Titel: Das Geburtstagsgeschenk Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Vine
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sich. »Hat der Mann denn kein Telefon?«
     
    Ich habe Sean Lynch wiedergesehen.
    Es ist nicht weiter schlimm, denn er hat mich bestimmt nicht gesehen. Das kam so: Wir fuhren nach Westminster, Mummy und ich, und nachdem wir in der Abtei gewesen waren, sagte ich, wir könnten uns doch die St. John’s Church am Smith Square anschauen. Wir gingen die Great Smith Street hinunter und bogen in die Glanvill Street ein, die sehr vornehm wirkt wie die ganze Gegend hier, düster und alt und irgendwie politisch angehaucht. Wie mag das seiner Carmen gefallen? Mir würde es gefallen, denke ich, wenn mich das Wohnen hier nichts kostet und auch für alles andere gesorgt ist. Sie hat keine Angst vor ihm. Aber sie ist eben auch das, was Männer eine schöne Frau nennen, und schöne Frauen haben wohl keine Angst vor gut aussehenden Männern. Die stehen ihnen zu, sie verdienen solche Männer. Und ich – verdiene dann wohl Stu …
    Wir haben Teshams Haus nicht gefunden. Ich sage »wir«, obgleich Mummy nicht wusste, wonach ich suchte. Niemand sah aus dem Fenster, keiner kam aus dem Haus. Alles war ruhig und leer, nur eine rote Katze saß reglos und mit geschlossenen Augen auf einer Säule. Wir machten uns mit dem Bus und mehrmaligem Umsteigen auf den Heimweg. Mummy hatte ihren Spaß daran, aus dem Fenster im Oberdeck auf die Regierungsgebäude und Geschäfte und Theater und Pubs und schmuddeligen Seitenstraßen herunterzuschauen. Genervt von dem Schneckentempo, in dem wir vorwärtskamen, beschäftigte ich mich wieder mit Tesham, überlegte, wie ich mir seine Adresse beschaffen könnte, und reagierte deshalb nicht, wenn Mummy mich anstieß und sagte, ich sollte mir doch diese architektonische Scheußlichkeit oder jene abartige Schaufensterdekoration ansehen. Natürlich hatte ich im Telefonbuch nachgesehen, obwohl ich wusste, dass er da noch gar nicht drin sein kann. Und unter dem Namen dieser Carmen stand er auch nicht, eine J. Case war mit dieser Adresse nicht eingetragen. Da fiel mir das Wählerverzeichnis ein. Wo mochte das liegen, und war es öffentlich zugänglich?
    Beim Umsteigen erwischten wir den falschen Bus, der uns zu weit nach Westen gebracht hätte, und ich versuchte Mummy klarzumachen, dass wir gleich wieder aussteigen und einen Bus in Richtung Camden Town nehmen müssten, aber sie hörte gar nicht hin, weil sie sich gerade die libanesischen Restaurants in der Edgware Road ansah. Als sie zum dritten Mal sagte: »Jetzt schau dir mal das an und das und die Frau da mit dem Schleier«, beugte ich mich über sie und näherte mein Gesicht dem Fenster, und da kam aus einer Seitenstraße Sean Lynch und marschierte in Richtung Edgware Road.
    Erstaunlich war das im Grunde nicht, schließlich wohnte er um die Ecke. Was ich empfand, war deshalb auch nicht so sehr Überraschung als ein Schock, weil ich mir so oft in den vergangenen Wochen dazu gratuliert hatte, dass ich ihn wahrscheinlich nie wiedersehen würde. Er trug sein schwarzes Lederzeug wie damals, als er mich in William Cross Court vor die Tür gesetzt hatte. Vielleicht war er immer so angezogen und wechselte nur T-Shirt und Jeans. Ich prallte zurück, sackte auf meinem Sitz zusammen und merkte, dass ich Schweißtropfen auf der Oberlippe hatte.
    »Was ist denn los mit dir, Jane?« Endlich hatte meine Mutter sich von der Straßenszene gelöst und musterte mich besorgt, aber auch ziemlich zudringlich. »Deine Hände zittern ja. Manchmal frage ich mich, ob du ganz gesund bist. Wann warst du zum letzten Mal bei deinem Hausarzt?«
    Ich hatte keinen. Nach dem Auszug aus der Irving Road hatte ich mir keinen neuen gesucht, aber das brauchte ich ihr ja nicht auf die Nase zu binden. Sie hätte von der phantastischen Praxis in Ongar geschwärmt und von der ach so gescheiten Ärztin, die »dich nur zu gern unter ihre Fittiche nehmen wird, Jane, wenn du in ein, zwei Wochen mit mir zurückfährst«.
    Wir stiegen aus und um. Mummys Interesse an dem Panorama da draußen war erloschen, und sie kam auf ihre Planspiele für meine Zukunft zurück. Das Gescheiteste wäre, sagte sie, meine Wohnung sofort zum Verkauf anzubieten. Sollten sich in den nächsten vierzehn Tagen keine Interessenten melden, könne ich dem Makler die Schlüssel geben und ausziehen. Mit den Möbeln, da müsse ich ihr wohl recht geben, sei nicht viel Staat zu machen. Am besten wäre es, sie von einer Entrümpelungsfirma entsorgen zu lassen. Weil sie sicher gewesen sei, dass ich mit diesen Plänen einverstanden sein würde,

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