Das Geburtstagsgeschenk
keine Ruhe. Die Ratschläge, Empfehlungen, Vorhaltungen sprudelten nur so, während sie Kaffee einschenkte und Toast machte. Sie zahle ihre Rechnungen immer bar, und zwar umgehend, und im Übrigen sei es sehr leichtsinnig, Rechnungen in eine Schublade zu tun, da könne man sie nur zu leicht übersehen. Die verlegte Rechnung sei jetzt unwichtig, die Leute von den Gaswerken hätten bestimmt keinen Fehler gemacht, nach ihrer – Mummys – Erfahrung käme das bei denen nicht vor. Ich solle jetzt einfach die Rechnung bezahlen, noch heute Vormittag, es werde mir wohl nicht schwerfallen, denn ich hätte ja gestern erst meine Unterstützung gekriegt. Von ihrem Scheck wolle sie gar nicht reden.
»Dann lass es auch bitte«, fuhr ich sie an.
»Schon gut, Jane – ich weiß ja, dass Dankbarkeit für dich ein Fremdwort ist.«
Ich hatte sie ernstlich gekränkt. Komisch – du darfst Menschen wie sie vor den Kopf stoßen oder wie Luft behandeln, aber wenn du ihnen in Gelddingen nicht unendlich dankbar bist, sind sie tödlich beleidigt.
»Ich gehe jetzt«, sagte sie. »Allein. Auf deine Gesellschaft lege ich zurzeit keinen Wert.«
»Und die Straßenkriminalität?«
»Die werde ich dann wohl riskieren müssen.«
Aus unerfindlichen Gründen band sie sich ein Kopftuch um, mit den Worten, es könne eine Weile dauern – wie der Mann, der mit Scott in die Antarktis gegangen und auf Nimmerwiedersehen in der Schneewüste verschwunden war –, und lieh sich – bei wolkenlosem Himmel – einen Schirm von mir. Der Stadtplan steckte in ihrer Handtasche wie der Reiseführer für eine Stadt in einem fremden Land.
Als sie aus dem Haus war, fiel mir ziemlich schnell ein, wo meine Gasrechnung abgeblieben war: Stu hatte die Schublade aufgezogen und sie rausgenommen, als ich ihm den Rücken gedreht hatte, um zu telefonieren. Aber wozu? Damit ich Scherereien bekam und sie mir womöglich das Gas abstellten? Nach einigem Nachdenken fiel mir ein, dass aus dieser Schublade schon öfter was verschwunden war, auch Geld. Kurz vor Pandoras Einzug waren mehrere Banknoten, die ich in einen Umschlag gesteckt hatte, um die Zeitung zu bezahlen, rätselhafterweise plötzlich weg. Nur war es jetzt eben kein Rätsel mehr.
Ich setzte mich hin und schrieb einen Scheck für die Gaswerke. Dann schrieb ich an die Hausverwaltung, dass ich den Fensterputzer nicht mehr haben will, schickte ihn aber nicht ab. Ich machte mir Gedanken über Stu. Was wäre passiert, wenn ich mit ihm einen trinken gegangen wäre? Ich kann mich nicht erinnern, dass mich je ein Mann das gefragt hätte. Aber ich habe gelesen und mir von anderen Frauen erzählen lassen, dass das die erste Frage ist, die ein Mann stellt, wenn er eine Beziehung mit dir anfangen will. Meine beiden Lover – ich nenne sie mal so – haben mich das nicht gefragt. Der eine war verheiratet und fing an zu knutschen (grässliches Wort, aber sehr bildhaft), als er mich zum Bus brachte, nachdem ich bei ihm zu Hause mit seiner Frau Tee getrunken hatte. Den anderen, der unverheiratet war, hatte ich auf dem Oberdeck von einem Bus kennengelernt. Ich war mit Hebe unterwegs gewesen und fühlte mich mies – so mies und hoffnungslos, dass ich ja sagte, als er mit mir nach Hause kommen wollte. Er war dann noch ein-, zweimal da, aber nur aus Gutherzigkeit, glaube ich. Er war ein hässlicher Typ, aber charakterlich war er in Ordnung.
Stu hat mich ganz komisch angesehen, als er gefragt hat, ob ich mit ihm einen trinken gehen will. Steht er vielleicht auf mich und hat die Gasrechnung mitgenommen, um zu sehen, wie ich heiße? Er kannte ja nur die Nummer von meiner Wohnung und dass er hier einmal im Monat Fenster putzen soll.
Ich zerreiße den Brief, den ich geschrieben habe. Dann habe ich eine Idee. Ich wähle die Auskunft, bitte um die Telefonnummer für Tesham, Glanvill Street, Westminster, und bekomme sie. Ich warte zehn Minuten und rufe noch mal an. Eine andere Stimme meldet sich, und diesmal nenne ich die Telefonnummer und bitte um Teshams Hausnummer in der Glanvill Street, und auch die bekomme ich.
Habe ich Sean Lynch wirklich auf der Straße gesehen, oder war es Einbildung? Er hat einen Deutschen Schäferhund, habe ich gesagt, aber zu Gesicht bekommen habe ich den nie. Vielleicht ist es gar nicht wahr, vielleicht ist da gar kein Hund. Callum hatte den Hund, die Dogge, aber die ist tot, und Callum ist tot. Ich schaue aus dem Fenster, aber da ist niemand, kein Mann und kein Hund.
25
Mummy ist überfallen worden. Sie ist
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