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Das Geburtstagsgeschenk

Das Geburtstagsgeschenk

Titel: Das Geburtstagsgeschenk Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Vine
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Ivor selbst. Ich brauchte nichts vor ihr zu verheimlichen. Nicht einmal ganz normale Diskretion war nötig.
    Sie hatte die Zeitung nicht gesehen, aber als ich ihr die Meldung vorgelesen hatte, sagte sie sofort, sie würde kommen. Nein, kein Treffen an einem dritten Ort, sie würde zu uns kommen, es sei eine schöne Gelegenheit, die Kinder wiederzusehen. Sie kam in Ivors Wagen, dem GROßEN BMW. Ich weiß nicht, warum, aber ich war immer davon ausgegangen, dass sie auch in dieser Beziehung eine Ausnahmeerscheinung sei und nicht Auto fahren könne. Das klingt albern und ist wahrscheinlich auch sexistisch, aber für mich war sie so sehr der Inbegriff des Weiblichen, dass ich sie mir am Steuer eines Autos nicht vorstellen konnte. Natürlich war das wieder mal völlig falsch. Sie lenkte das schwere, ziemlich machohafte Gefährt mit Schwung zwischen den Pfosten hindurch in unsere Einfahrt. Bei jeder Begegnung konstatierte ich von neuem, wie schön sie war. Die Beine mit den schlanken Fesseln kamen unter dem Armaturenbrett hervor, und sie schwang sich elegant aus dem Wagen, indem sie sich erst auf ihrem Platz nach rechts wandte und dann mit geschlossenen Knien beide Beine auf den Boden setzte. Es war Herbst, und sie trug einen schwarz-weißen engen Rock mit weißer Strickjacke. Ich kann mich nicht erinnern, je eine schönere Frau gesehen zu haben. Das schwarze Haar bedeckte nur noch knapp die Ohren, der Pony endete über den Brauen, die Lippen waren in dunklem Pink geschminkt und öffneten sich zu einem strahlenden Lächeln. Erstaunlich, dass ich ihre blendende Schönheit bewundern konnte, aber gleichzeitig meine eigene Frau viel anziehender fand. Aber ich denke, das ist gut so.
    Sie hatte unterwegs angehalten, um die Zeitung zu kaufen und die Meldung zu lesen. »Er wird bestimmt noch heute darauf stoßen. Du findest, dass ich ihn anrufen sollte, nicht?«
    »Ich weiß es nicht, Juliet. Wir sollten uns nur alle darauf einstellen, dass es ihn sehr treffen wird. Es ist ein schwerer Schlag.«
    In diesem Augenblick kam Iris mit Joe auf dem Arm herein. Er lernte gerade laufen, was bedeutete, dass er überall herumkroch, alles Erreichbare an sich zog und ein allgemeines Chaos veranstaltete. Auch auf diesen kleinen Mann wirkte Juliets Schönheit unwiderstehlich. Er kam, sobald sie ihn rief, auf ihren Schoß. Iris hatte immer wieder betont, wie kinderlieb Juliet sei, mir wurde es erst an diesem Tag so richtig deutlich. Sie wusste, dass Kinder sich ungeteilte Aufmerksamkeit wünschen. Und durch nichts, nicht einmal Ivors Probleme, ließ sie sich von Joe ablenken. Innerhalb von Sekunden hatte er ihre Handtasche entdeckt und versuchte sie aufzumachen. Natürlich ging Iris schwach protestierend dazwischen, doch Juliet wehrte ab. Die Handtasche wurde aufgemacht, auf den Fußboden gestellt und Joes Forschungsdrang überlassen.
    »Was wird eurer Meinung nach passieren?«, fragte Juliet.
    »Im besten Fall gar nichts. Falls die Medien herausbekommen, dass Sean vor vier Jahren wegen des Mordes an Sandy Caxton verhört wurde, können sie das nicht verwenden, und das wissen sie auch. Leider ist es nicht ausgeschlossen, dass sie in ihren Archiven graben und die Entführungsstory wieder aufwärmen.«
    »Weil es bei der um Dermot geht und nicht um Sean?«
    »Genau. Aber ich denke, sie werden sich dabei auf Kelly Mason einschießen und nicht auf Hebe Furnal. Es ist nie eindeutig festgestellt worden, welche Frau entführt werden sollte. Und vergiss nicht, dass niemand eine Verbindung zwischen Hebe und Ivor hergestellt hat, sein Name wurde nie erwähnt. Über Kelly Mason hieß es in der Presse, sie sei in einer psychiatrischen Klinik auf einer entlegenen Insel, und ihr Mann hat in einem Interview gesagt, sie sei nach all diesen Drohungen sehr angegriffen – im Klartext: nicht mehr bei Verstand.«
    »Du meinst, dass sie sich nicht mit Hebe beschäftigen, sondern sich auf Kelly Mason stürzen werden, weil die Ärmste nicht mehr alle Tassen im Schrank hat?«, fragte Iris. »Was sind diese Medienleute doch für eine gemeine Bande.«
    »Mag sein, aber so dürfte es laufen.«
    Nadine war in der Vorschule, aber Adam kam hereinmarschiert, und als er seinen Bruder eifrig damit beschäftigt sah, Notizen, Kleingeld und Kreditkarten aus Juliets Handtasche zu räumen, entriss er sie ihm energisch. Joe schrie und brüllte, Adam lachte triumphierend, Iris mahnte – bis Juliet den Frieden wiederherstellte, indem sie aus der Plastiktüte, in der die Zeitung gewesen

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